Grüner Marsch in die EU-Institutionen?

■ Nur wenn Schröder die CDU verprellt, gibt's eine grüne Kommissarin

Brüssel (taz) – Die Grünen drängen auch in Europa an die Macht. Wenn im nächsten Jahr die Posten der 20 EU-Kommissare neu verteilt werden, fordert die grüne Europapolitikerin Claudia Roth, dann soll Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Politiker aus den Reihen des Koalitionspartners nach Brüssel schicken. Die Macht dazu hat er, ob er auch den Willen hat, die CDU zu verprellen, ist eher fraglich.

Die Bundesrepublik gehört zu den fünf großen EU-Staaten, die jeweils zwei Politiker für die Leitung der EU-Kommission stellen. Die anderen zehn Länder haben laut EU-Vertrag nur Anspruch auf einen EU-Kommissar. Die Kommissare sind Ministern vergleichbar, die in einer Art Europaregierung die EU-Gesetze vorbereiten und später ihre Durchführung überwachen. Auch wenn die Entscheidung über die EU-Regeln beim Ministerrat und beim Europaparlament liegt, ist der Einfluß der Kommissare auf die Entwicklung der Europäischen Union beachtlich, wie der Dauerstreit zwischen Bundesregierung und Wettbewerbskommissar Karel van Miert belegt. Rein rechnerisch könnte die rot-grüne Koalition einen SPD- und einen Grünen-Politiker für die EU-Kommission benennen. „Dies wäre ein Signal und ein Durchbruch für Grün in ganz Europa“, meint Claudia Roth, die als langjährige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament weiß, wovon sie spricht.

In Frankreich, Finnland und Italien sind inzwischen Grüne an den Regierungen beteiligt, in Schweden und Deutschland wird gerade an rot-grünen Koalitionsabmachungen gefeilt. Ein grüner EU- Kommissar würde also im Trend liegen und könnte der EU-Umweltpolitik endlich Schwung geben.

Gegen einen Bonner Grünen am Brüsseler Kommissionstisch spricht allerdings die Tradition, nach der die Regierung einen der beiden EU-Kommissionsposten der Opposition überläßt. Das gilt auch als Ausdruck für das Bemühen, die Europapolitik in einem parteiübergreifenden Konsens zu gestalten. Dieses Prinzip wurde bisher nur zweimal durchbrochen, als Bundeskanzler Kohl 1989 und 1993 mit Peter Schmidhuber und Martin Bangemann einen CSU- und einen FDP-Kandidaten benannte. In der SPD gab es damals große Aufregung über diesen Affront. 1995 besann sich Kohl dann wieder auf die alte Praxis und schickte mit Monika Wulf-Mathies eine SPD-Frau in die EU-Kommission nach Brüssel. Es ist schwer vorstellbar, daß Schröder sich ausgerechnet auf einem für die Öffentlichkeit eher unbedeutenden Feld mit der CDU anlegen will. Schließlich muß er damit rechnen, daß er nach einigen Landtagswahlen im Bundesrat wieder auf sie angewiesen sein könnte. Möglich wäre allenfalls, daß er dem kleineren Koalitionspartner den SPD- Posten überläßt. Kohl hat das 1995 mit dem FDP-Politiker Bangemann gemacht, weil er in der damals überaus eurokritischen Stimmung befürchten mußte, daß ihm die eigene Partei einen Euroskeptiker aufnötigen würde. Mit Monika Wulf-Mathies hat die SPD jedoch eine EU-Kommissarin in Brüssel, die sich einen ausgeprochen guten Ruf erarbeitet hat. Schröder dürfte es schwerfallen, ihr die zweite Amtszeit zu versagen. Alois Berger