Urteil gegen algerischen Intellektuellen aufgehoben

■ Der in Deutschland lebende Ali Bensaad sieht sich als Spielball rivalisierender Militärclans

Madrid (taz) – Nach monatelangen Protesten hat der Oberste Gerichtshof Algeriens am Montag das Todesurteil gegen den algerischen Professor und Journalisten Ali Bensaad aufgehoben. Der seit März 1996 als politischer Flüchtling in Hamburg lebende Demokrat war am 7. Juli vom Gericht in Constantine für schuldig befunden worden, im August 1996 an einem Massaker radikaler Islamisten beteiligt gewesen zu sein, bei dem fünf Menschen ums Leben gekommen waren. Doch Bensaad war zur Tatzeit bereits in Deutschland.

Er hatte sein Land im September 1995 verlassen, nach dem die Armee seine Wohnung durchsucht hatte. Algerien befand sich im Präsidentschaftswahlkampf, und Bensaad hatte sich eingemischt. Er sei nicht nur gegen ein System wie es die Islamisten anstreben, sondern auch gegen „das korrupte Regime eines Betchine“, hatte er auf einer Versammlung des ehemaligen Regierungschefs und Reformpolitikers Redha Malek in Constantine ausgerufen. Der einflußreiche Geheimdienstgeneral und spätere Präsidentenberater Mohammad Betchine wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Ein halbes Jahr nach der Wahlkampfrede wurde Bensaad zu sechs Monaten Haft wegen „Beleidigung eines hohen Offiziers verurteilt“. Im Sommer 1998 folgte das Verfahren wegen Terrorismus. „Sowohl mein Todesurteil als auch die Annullierung durch den Obersten Gerichtshof waren politische Entscheidungen“, ist sich Bensaad sicher. „Ich wurde zum Spielball im Machtkampf der verschiedenen Militärclans.“

Bensaad will auch jetzt keine Ruhe geben. Zusammen mit befreundeten Journalisten in Algier will er aufdecken, wer alles in seinen Fall verwickelt ist. „In mein Land kann ich auch weiterhin nicht zurück“, sagt Bensaad. Er hat Angst. In der in London erscheinenden arabischsprachigen Tageszeitung al-Hayat äußerte vor wenigen Tagen ein „anonym bleibender hoher Beamter aus dem Justizministerium“ neue Verdächtigungen gegen Bensaad. Er sei kein „islamistischer Terrorist“, sondern ein „antiislamistischer Gewalttäter“. Ali Bensaad sieht darin einen Versuch, ihn für die radikalen Islamisten zum Abschuß frei zu geben. Reiner Wandler