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Intermezzo unter vier Millionen

■ Ein leichter Aufschwung und massive Arbeitsbeschaffung machen es möglich: Knapp 3,97 Millionen ohne Job. Arbeitsmarktforscher schreiben Beschäftigungsprogramm für Rot-Grün

Nürnberg (taz) – Das hatte Helmut Kohl sich schon vor der Bundestagswahl erhofft. Jetzt, neun Tage danach, verkündet der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, daß die Arbeitslosenzahl unter der Vier-Millionen-Grenze liegt – und das erstmals seit November 1996. Genau sind es 3.965.381 Menschen, die Ende September bei den Arbeitsämtern als arbeitslos registriert sind. 130.000 weniger als im Vormonat und knapp 343.000 weniger als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote beträgt damit in Deutschland 10,3 Prozent.

Anläßlich dieser Erfolgsmeldung hatte BA-Chef Jagoda sich nicht nur einen neuen dunkelblauen Anzug gekauft, sondern auch gleich seine Bereitschaft für eine zweite Amtszeit bekundet – dieses Mal unter einem Kanzler Schröder. „Ich stehe zur Verfügung“, betonte der CDU-Mann, der gegen Ende des Wahlkampfs stark unter Beschuß geraten war. Die damalige Opposition hatte ihm vorgeworfen, mittels diverser statistischer Kosmetiken und einer explosionsartigen Vermehrung von kurzfristig laufenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Arbeitslosenstatistik geschönt zu haben.

Das anhaltende Sinken der Arbeitslosenzahlen führt Jagoda nun neben der konjunkturellen Belebung „vor allem auf die anhaltend starke Ausweitung der Arbeitsmarktpolitik“ zurück. Nach den finanziellen Einschnitten im letzten Jahr sind die Gelder frei für neue Maßnahmen. So konnten allein in den neuen Ländern die Zahl der Teilnehmer in beschäftigungsschaffenden Maßnahmen und Weiterbildung seit Januar um 211.000 auf 443.000 fast verdoppelt werden. „Ohne diese arbeitsmarktpolitische Unterstützung wäre die Beschäftigung dort vermutlich zurückgegangen“, kommentiert Jagoda die neuesten Schätzungen des Statistischen Bundesamts. Demnach hat sich die Zahl der Erwerbstätigen in den neuen Bundesländern saisonbereinigt im Juli um 9.000, in den alten Ländern um 18.000 erhöht. Erstmals seit der Wiedervereinigung liegt die Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mit 34,0 Millionen um 65.000 „nennenswert über dem Stand des Vorjahres“.

BA-Präsident Jagoda kündigte an, daß die Arbeitslosigkeit im Winter wieder über vier Millionen steigen werde – daher sei „nach wie vor voller Einsatz der Arbeitsmarktpolitik“ notwendig. Das BA- eigene Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht einen Schritt weiter. Schon 1996 hatte das IAB ein Maßnahmenbündel zur Halbierung der Arbeitslosigkeit erarbeitet, was jedoch von der Bundesregierung ignoriert wurde. Jetzt gehen die Forscher mit einer „Agenda für mehr Beschäftigung“ an die Öffentlichkeit. Sie wollen der neuen Bundesregierung „Handlungsmöglichkeiten“ aufzeigen, um das „gesamtwirtschaftliche Defizit von 6 bis 7 Millionen Arbeitsplätzen“ entscheidend zu verringern.

So spricht sich das IAB gegen weitere kurzfristige Sparmaßnahmen aus und fordert Umschichtungen im Bundeshaushalt hin zu öffentlichen Investitionen. Um Lohnnebenkosten durch Umfinanzierung im Bereich der sozialen Sicherungen senken zu können, plädiert das Institut für eine Anhebung der Mehrwertsteuer und die Einführung „intelligenter Energiesteuern“. Neben einem Ausbau von Teilzeitarbeit fordert das IAB von den Tarifparteien eine „weitere Lohnzurückhaltung“, verbunden jedoch mit einer Beteiligung der Arbeitnehmenr an Vermögen und Ertrag. Bernd Siegler

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