Durchs Abschieds-Dröhnland
: Sagt tschüß!

■ Die besten, schlechtesten, wichtigsten, überflüssigsten und vor allem die letzten Konzerte der Woche

„I'd like to rest my heavy head tonight“(Woody Guthrie)

Sagt tschüß, denn nun wirklich ein Auslaufmodell ist doch bitte schön die klassische TripHop- Konstellation, in der die Frau verrucht singt und der Mann die Beats beisteuert. Daß sich das trotzdem ganz großartig anhören kann, beweisen allerdings nicht zuletzt Moloko, deren Roisin Murphy dem Genre zusätzlich noch einen bisher – außer von Tricky – kaum gekannten Willen zur Exaltiertheit hinzufügt. Daß die Rückkehr der Popdiva von Britannien aus lanciert werden würde, war allerdings auch vorher schon klar.

Mit Kid Loco, 10.10., 21 Uhr, Glashaus in der Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Sagt tschüß zu Finnland. Oder besser nicht, denn auch wenn Waltari und Jimi Tenor auf ihre sehr unterschiedlichen Weisen überaus nerven und selbst die Kaurismäki-Gebrüder zuletzt nicht weiter auffielen, gibt es doch immerhin noch 22 Pistepirkko, die sich zwar niemals nicht entscheiden wollten, welchen Stil sie nun veredeln (oder veräppeln – je nach Standpunkt) wollten, genau das aber immer sehr überzeugend taten. Schlußendlich können sie alles: Pop oder Rock oder Blues, Elektronika oder selbst Dancefloor. Nach 20 Jahren Bandgeschichte kennt man sich schließlich gut genug, alles zu können, wenn man es will. Auch live, weswegen bei einem Pistepirkko- Konzert wirklich alles passieren kann.

11. 10., 21 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Sagt tschüß zu Billy Bragg, denn die Hallen, in denen er auftritt, mögen immer größer werden, aber die Bedeutung seines Berufsstandes, des Politbarden, nahm im gleichen Verhältnis dazu ab. Mit Wilco hat er jetzt eine wundervolle Platte aufgenommen, auf der man zusammen einige der Hunderte von Songs vertont, die Woody Guthrie in den Jahrzehnten vor seinem Tod schrieb, aber nicht aufnehmen konnte und deren Melodien verloren sind. Braggs dezidierter Cockney-Akzent liegt hier im Dauerclinch mit Wilcos so ausdrücklich amerikanischer Vergangenheitsbewältigung. Eine Versöhnung findet nicht unbedingt statt, aber doch immerhin eine ausführliche gegenseitige Respektsbekundung.

11. 10., 20 Uhr, Columbiahalle, Columbiadamm 13–21, Tempelhof

Sagt tschüß zu Wild Billy Childish, wenn Ihr White Hassle haben könnt. Das Duo, das mit drei weiteren verlorenen Seelen als Railroad Jerk auch nicht wesentlich bekannter ist, nimmt seine Platten in seinem New Yorker Apartment auf, die hören sich aber eher an, als wären sie morgens um drei auf dem Klo einer Hillbilly-Kneipe in Tennessee mitgeschnitten – ziemlich klasse also. Während Sänger Marcellus Hall mit Gitarre und Mundharmonika noch recht herkömmliche Instrumente benutzt, trommelt Dave Varenka auf allem rum, was sich nicht wehren kann, am liebsten Töpfe und Pfannen. Dann fragen sie „Let me drive your car“, und man weiß genau, daß man dieser Bitte ganz entschieden nicht entsprechen wird.

11. 10., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Sagt tschüß zur schottischen Fußballnationalmannschaft, dachten sich Del Amitri und schrieben der vor der Reise nach Frankreich „Don't come home to soon“, den schönsten Abschiedssong der letzten Zeit, ins Stammbuch. Die Fußballer schieden zwar wie gewohnt schon in der WM-Vorrunde aus, aber die Musiker kehrten zurück ins Bewußtsein einer Öffentlichkeit, die wohlweislich vergessen hatte, daß Del Amitri schon Britpop spielten, als die Gallagher-Brüder noch Windeln näßten.

13. 10., 21 Uhr, Columbiahalle

Sagt tschüß zu mieser Laune, denn Unbelievable Truth aus Oxfordshire spielen genau die Sorte Gitarrenpop, der melancholisch genug ist, einen träumend zurückzulassen, aber nicht depressiv genug ist, um einen wirklich runterzuziehen.

14. 10., 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg

Sagt tschüß zur Hamburger Schule, denn zwar kommen Aroma Gold aus Hildesheim und lassen ihre Gitarren psychedelisch aufheulen, aber nicht nur irgendwie gehören sie halt doch dazu, schon allein weil sie sich in ihren Texten viel zu viele Gedanken über das Musikerdasein machen. Den Intellektuellenverdacht wenden sie nicht einmal mehr durch ein verdient häßliches Styling ab. Außerdem haben sie einen Fußballsong wie Del Amitri, auch wenn der davon handelt, immer der Untalentierte gewesen zu sein, der nicht mitspielen durfte.

14. 10., 21 Uhr, Non Tox, Mühlenstraße 12, Friedrichshain

Sagt tschüß zum Duncker und zu allen anderen Kleinclubs. Peter Trebo sagt derweil tschüß zum Popstardasein. Denn der gehört in Österreich in seiner Eigenschaft als Gitarrist von Dhy durchaus zu dieser Spezies, hierzulande kennt ihn aber keine Sau. Mit seinem Nebenprojekt Sen Lotus versucht er den Schlager in die 90er zu retten, nicht durch Kabarett wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn, sondern durch Aufpeppen mit Samples, ein paar zeitgemäßen Beats und anspruchsvollen Textversuchen. Das funktioniert nur bedingt.

15. 10., 20.30 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Sagt tschüß zu Jeffrey Lee Pierce und Sterling Morrison. Die sind nun schon so lange tot, daß Sonny Vincent ihnen seine letzte Soloplatte gewidmet hat. Das war denn auch das Tollste, was der ehemalige Vorsitzende von Shotgun Rationale in dem Zusammenhang zustande gebracht hat. Zwar hat er sich eine illustre Begleitband rekrutiert, so zupft Captain Sensible den Bass und Gitarre spielt Scott Asheton, der bei den Stooges und später u.a. bei New Race für ein paar wirklich gemeine Riffs verantwortlich war. Aber das mag Punkrock sein, aber schon der Sound ist grauenhaft dünn, nicht einmal 1976 und führt überdeutlich vor Augen, daß Vincents große Tage als Songschreiber auch schon ein wenig länger zurückliegen.

15. 10., 21 Uhr, Roter Salon der Volksbühne Thomas Winkler

Sagt tschüß zum Dröhnland! Nach fast sieben Jahren und schätzungsweise 3.756 Konzerten wird nun alles anders. Und hat nicht Schröder vorgemacht, daß allein durch diese Versprechung schon alles besser wird?