Eine wählbare Kandidatin

■ Die zukünftigen PDS-Abgeordneten nominieren mit Petra Bläss eine Kandidatin fürs Bundestagspräsidum, die auch die SPD mitwählen kann

Berlin (taz) – Nicht in Bonn oder Berlin trafen sich die Mitglieder der zukünftigen PDS-Bundestagsfraktion. Die PDS-Fraktion berät traditionell am Anfang und Ende jeder Legislaturperiode im „Hotel am Wald“ im kleinen Stolberg nahe Aachen. Westlicher geht's in Deutschland nicht mehr.

Das wichtigste Ergebnis der „Klausur“ sickerte schon gestern vormittag durch. Die PDS-Fraktion nominiert Petra Bläss für das Amt einer Bundestagsvizepräsidentin. Die 34jährige bisherige sozialpolitische Sprecherin setzte sich gesten mit 19 zu 12 Stimmen gegen die Leipziger Abgeordnete Barbara Höll durch. Zum zweiten Mal in ihrem Leben rückt Petra Bläss von heute auf morgen ins Licht der politischen Öffentlichkeit. 1990 wurde die damals gerade 25jährige Diplomlehrerin völlig überraschend zur Vorsitzenden der Wahlkommission zu den ersten freien Volkskammer- und Kommunalwahlen der DDR gewählt. Seit damals ruhte ihre Mitgliedschaft in der SED/PDS, sie zog auf der offenen Liste der PDS in den ersten gesamtdeutschen Bundestag ein. Seit 1997 ist Bläss wieder reguläres Parteimitglied.

Diese Vita dürfte auch den Sozialdemokraten genügen, die durchblicken ließen, für eine PDSlerin im Bundestagspräsidium zu stimmen, wenn diese „wählbar“ sei. Nicht „wählbar“ wäre für die SPD wohl Christa Luft gewesen. Der ehemaligen DDR-Wirtschaftsministerin wird Stasi-Mitarbeit vorgeworfen. Luft selbst erklärte, „sie habe einfach nicht gewollt“, das Amt sei ihr „zu repräsentativ“. Auch der Sprecher der PDS-Abgeordneten, Jürgen Reens, betonte gestern: „Alle 21 Frauen in unserer Fraktion wären akzeptable Kandidatinnen gewesen.“ Mit 5,1 Prozent der Wählerstimmen hat die PDS bei der jüngsten Bundestagswahl erstmals den Fraktionsstatus erreicht. Laut Geschäftsordung des Bundestages hat jede Fraktion Anspruch auf einen Vertreter im Präsidium. Die CSU hat allerdings angekündigt, ihr bisheriges Präsidumsmitglied Michaela Geiger als Gegenkandidatin aufzustellen.

Die Nominierung von Petra Bläss lief exakt nach dem Wunsch der Parteiführung um Gregor Gysi. Aufgemuckt hatten die Abgeordneten aber schon am Vorabend. Da wählten sie ihren Frontmann Gysi erwartungsgemäß zum Fraktionsvorsitzenden, verweigerten aber zwei seiner drei Stellvertreter die Zustimmung im ersten Wahlgang. Erst nach einer langen Aussprache erreichten Heidi Knake-Werner aus Bremen und Wolfgang Gehrcke aus Berlin im zweiten Wahlgang die notwendige Mehrheit. Ein klarer Affront gegen Gysi, dem am Mittwoch abend sichtbar die Laune verdorben war. „Besonders geärgert hat uns, daß sich niemand aus der Deckung getraut hat“, berichtete Sprecher Reens. Kein Kritiker sei bereit gewesen, als Gegenkandidat anzutreten. In der PDS wird das Abstimmungsverhalten als Protest gegen die „Zentralisierung“ der Fraktion und deren „Zuschneiden auf Gregor Gysi“ gewertet. Vor allem ist umstritten, daß Wolfgang Gehrcke nun stellvertretender Partei- und Fraktionschef in Personalunion wird. Ebenfalls schon am Mittwoch wurde Roland Claus zum parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. Der frühere Landesparteichef von Sachsen-Anhalt ist ein exponierter Vertreter des Reformflügels und gilt als Mitarchitekt des „Magdeburger Modells“. Robin Alexander