Ein Wunderkind

In seiner Biographie finden sich eine Menge kleiner, unbedeutender Geschichten – irgendwo hat jeder sie mal gehört: Steven Spielberg war ein Kind voller Ängste, und noch immer traut er sich nicht alleine in einen Fahrstuhl, kaut an den Fingernägeln und muß sich an schwierigen Drehtagen übergeben.

Eine andere Geschichte der Überwältigung handelt davon, wie der kleine Steven im Biologieunterricht einen Frosch zerlegen mußte. Erst versuchte er, die Tiere in Freiheit zu lassen, dann aber, weil ihm das verboten wurde, lief er hinaus, um sich zu übergeben. Diese Begebenheit läßt Spielberg auch einen kleinen Jungen in seinem Epos „E.T.“ durchleben.

Bei allen Histörchen ist nicht klar: Sind es ausgeschmückte Anekdoten, oder entstammen sie der Realität? Doch bei Spielberg gilt dieser Gegensatz nicht: Das Leben kann kitschig sein und die Anekdote grau in grau. Fakt ist: Steven Spielberg, der Dollarmilliardär, ist der mächtigste Mann in der Filmindustrie und einer der Lieblingsgäste Bill Clintons. Er darf, wenn er in Washington weilt, im oberen Stockwerk des Weißen Hauses schlafen. Im Gegenzug speist Clinton öfter bei den Spielbergs in Beverly Hills.

Spielberg hat sich alleine die Karriereleiter heraufgearbeitet. 1947 wird er als erstes von vier Kindern in Cincinnati/Ohio geboren. Die Wurzeln der jüdischen Familie liegen in Rußland. Als er siebzehn Jahre alt ist, lassen sich seine Eltern scheiden. Der Vater ist Elektroingenieur, die Mutter Konzertpianistin. Weil Spielberg in der Highschool schlechte Noten hat, darf er nicht an einer der großen Filmhochschulen studieren.

Mit dreizehn Jahren aber wird er als Wunderkind des Filmgeschäfts entdeckt: Escape to Nowhere („Flucht ins Nirgendwo“), sein erster Vierzigminutenfilm, gewinnt einen Wettbewerb. Schon drei Jahre später feiert Spielberg mit Firelight seinen ersten kommerziellen Erfolg. Mit 22 erhält er einen Regievertrag der Universal- Pictures-Studios.

In Hollywood wird er schnell zu einem, der jugendfreie Massenware für die ganze Familie herstellt. Spielbergs Science-fiction-Geschichte „E.T.“ bricht 1982 alle damals bestehenden Kassenrekorde. Erst elf Jahre darauf war ein Film erfolgreicher – das gleichfalls von Spielberg gefertigte Märchen Jurassic Park. Dazwischen drehte der jüdische Amerikaner Filme wie Indiana Jones oder Die Farbe Lila (eine Saga über den Kampf von afroamerikanischen Bürgern gegen Diskriminierung).

Ein halbes Jahr darauf, Ende 1993, beweist Spielberg, daß er statt Geschichten auch Geschichte verfilmen kann. Schindlers Liste bringt ihm endlich zumindest etwas Respekt bei Kritikern, darüber hinaus bekam er seine ersten Oscars, für den „besten Film und die beste Regie“.

Anfang September erhielt Spielberg das Bundesverdienstkreuz – u.a. für sein Lebenswerk, für „Schindlers Liste“ und den Aufbau eines Archivs mit Geschichten von Überlebenden des Holocaust. Tina Hüttl