Ein Boom-Boom-Bumerang

■ Die Goldgräberstimmung auf dem Immobilienmarkt in Ostdeutschland ist vorbei und Ernüchterung hat sich breitgemacht. Prognosen waren falsch, Beispielrechnungen Makulatur

Die Anfragen bei den Verbraucherzentralen nach Beratung auf diesem Gebiet sind in den letzten zwei Jahren sprunghaft gestiegen. Christian Schmid-Burgk, Berater für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hamburg, faßt für die taz seine täglich gesammelten Erkenntnisse zusammen.

Vielen Anlegern ist das Ausmaß der Fehlinvestition noch nicht bewußt. Einige kommen lediglich wegen eines „schlechten Gefühls“ in die Beratung, andere beklagen bereits nennenswerte Mietausfälle oder stellen fest, daß die häufig frisierten Beispielrechnungen nicht stimmen. Aus einer monatlichen Belastung von ursprünglich 100 Mark sind inzwischen 400 bis 500 Mark geworden. Das gekaufte Objekt, das oftmals weder vor dem Erwerb noch in den letzten Jahren von den Anlegern besichtigt wurde, ist zum ersten Mal in Augenschein genommen worden. Die „Superimmobilie in bester Lage“ entpuppt sich dabei mitunter als Plattenbau am Stadtrand. Ein Verkauf ist nicht oder nur mit empfindlichen Abschlägen möglich.

Hilferufe an die ehemaligen Vermittler und Berater, sofern sie überhaupt noch zu finden sind, verhallen ungehört. Die Banken zucken mit den Achseln, verweisen auf die Darlehensverträge und bestehen auf Zahlung. Das Finanzamt macht bei so manchen Objekten Schwierigkeiten, verweigert Steuerrückzahlungen und erklärt das Objekt zur Liebhaberei, da Gewinne auf Dauer nicht zu erwarten sind.

Besserung ist nicht in Sicht. Der Immobilienmarkt in den neuen Bundesländern ist nach Meinung vieler Fachleute „tot“. Zahlungskräftige Mieter fehlen, beispielsweise jene „Westler mit Buschzulage“. Allein in Leipzig stehen über 30 Prozent der gewerblichen Immobilien leer. In Berlin hofft man noch auf den Hauptstadteffekt. Ob er eintritt, ist eher fraglich.

Was war geschehen? Um die Bautätigkeit in den neuen Bundesländern anzuregen, wurden vom Staat großzügig Steuergeschenke verteilt. 50 Prozent der Herstellungskosten konnten in den ersten fünf Jahren abgeschrieben werden, weit mehr als in den alten Bundesländern damals üblich. Bei einem Steuersatz von 50 Prozent bedeutet dies, daß der Staat allein 25 Prozent der Herstellungskosten finanziert – egal, ob für das Objekt ein Bedarf bestand oder nicht. Milliardenbeträge wurden damit in den Sand gesetzt. Insbesondere Finanzämter in einkommensstarken Gebieten beklagen nicht zuletzt wegen dieser hohen Abschreibung einen rasanten Rückgang an Einkommenssteuern, obwohl die Bruttoeinkommen in den letzten Jahren gerade dort deutlich gestiegen sind. Da „Steuern sparen“ aber das beste Argument ist, Immobilien zu verkaufen, hatten die Verkäufer bei den Anlegern leichtes Spiel, selbst bei denen, die keine hohe Steuerbelastung haben. Nachdem so mancher gut verdienende Selbständige bereits in den 80er Jahren mit einem Bauherrenmodell auf die Nase gefallen war, wurden nunmehr gezielt die mittleren Einkommensklassen angesprochen. Meist fehlt es diesen Anlegern aber an einschlägigen Kenntnissen. So manche Immobilie wurde unbesehen und völlig überteuert gekauft. Initiatoren, die billig bauten und teuer verkauften, machten dementsprechend riesige Gewinne. Quadratmeterpreise, die selbst in den alten Bundesländern in guten Lagen nicht zu erzielen waren, konnte man in den neuen Bundesländern problemlos fordern und bekommen.

Die am Anfang noch hohen Mieten konnten wegen des steigenden Angebotes an Immobilien nicht gehalten werden. Daneben fehlte es immer mehr an Einkommen in den neuen Bundesländern. Mieten von mehr als 16 Mark pro Quadratmeter waren und sind unrealistisch. Die Verkäufer griffen hier zu einem Trick: Um die Anleger zu beruhigen, wurden Mietgarantien eingesetzt. Da aber kein Mietgarant auf Dauer Verluste machen will, sind inzwischen etliche von ihnen pleite. Das Risiko bleibt beim Anleger, Mietausfälle muß er selber tragen. Berechnungen hinsichtlich der noch tragfähigen monatlichen Belastungen wurden Makulatur, aus den Gewinnen Verluste.

Gern wurde den Anlegern das Märchen vom kurzfristigen Gewinn in fünf Jahren erzählt. Da anschließend die Abschreibungsmöglichkeiten weitestgehend erschöpft waren, sollte dann verkauft werden. Doch allein die Nebenkosten beim Erwerb betrugen schon damals 10 Prozent. Inzwischen ist die Grunderwerbssteuer (jetzt 3,5 Prozent) deutlich erhöht worden, und auch sonstige Nebenkosten, beispielsweise für die Vermittlung der Finanzierung, schlagen teuer zu Buche. Bei einigen lagen sie bei bis zu 30 Prozent des Kaufpreises. Derartige Kosten können mittelfristig nicht wieder hereingeholt werden. Der Immobilienmarkt ist launisch. Jährliche Wertsteigerungen sind nicht garantiert, und in den letzten Jahren fielen in vielen Regionen die Preise. Bei Wohnraum ist aber auch aus einem anderen Grund kein kurzfristiger Gewinn möglich: Neue Immobilien sind freier Wohnraum und damit teuer. Werden sie aber aus steuerlichen Gründen vermietet, sind sie alt und „billig“. Ein Preisverfall von etwa 25 Prozent ist in diesem Fall normal. Es ist nicht verwunderlich, wenn Immobilien momentan bei einem Verkauf nur wenig mehr als 50 Prozent des eingesetzten Kapitals erzielen.

Da die Finanzierungskosten Anfang und Mitte der 90er Jahre hoch waren, hohe Zinsen die Anleger aber wegen der damit einhergehenden Belastung abschreckten, griffen die Anbieter zu einem legalen Steuertrick. Die Immobilien wurden mit hohem Disagio finanziert. Darunter versteht man einen Abschlag von der Auszahlungssumme eines Kredits, also die Differenz zwischen Auszahlungs- und Darlehenssumme. Vermeintlicher Vorteil dieser Methode: Finanzierungskosten werden auf spätere Jahre verschoben zugunsten einer „günstigen“ Finanzierung in den ersten Jahren. Weiterer Vorteil: Das Disagio kann steuerlich abgesetzt werden, versprach also weitere Steuerrückzahlungen im ersten Jahr. Völlig übersehen wurde hierbei, daß so in den ersten Jahren die Verluste aus Vermietung und Verpachtung geringer ausfielen, der Steuertrick bei den meisten Anlegern ein Nullsummenspiel ist und die Zinszahlung zu Lasten späterer Zeiten niedrig gehalten wird. Und diese späteren und schlechten Zeiten kommen jetzt.

So manche Bilanz ernüchtert. Viele wären froh, wenn die Verluste nur einige tausend Mark betragen würden. Der einzige Lichtblick: Wer jetzt neu finanzieren muß, hat zumindest günstige Zinsbedingungen, ansonsten wären schon jetzt viele Finanzierungen endgültig gescheitert und die Immobilie zwangsversteigert.

Die Rechtslage ist nicht sehr ermunternd. Schadenersatzprozesse wegen einer möglichen Falschberatung sind schwierig zu führen. Es fehlt an kompetenten Anwälten. Die Gerichte sind mit den komplizierten steuerlichen Fragen überfordert. Falsche Beispielrechnungen von Vermittlern und Verkäufern rechtfertigen zwar Schadenersatzansprüche, aber das zu beweisen ist schwer. Verkäufer und Vermittler sind zudem häufig unauffindbar, Firmen und Gesellschaften haben sich inzwischen aufgelöst. Selbst wer vor Gericht obsiegt, kann mangels Masse seine Ansprüche nicht durchsetzen.

Es bleiben als Ansprechpartner die Banken. Die verweisen indes gern auf ihre Darlehensverträge. Dort findet man Formulierungen, dick gedruckt und doch bei Vertragsabschluß von niemandem gelesen. Die Werthaltigkeit der Objekte wurde nicht geprüft, und maßgeblich für die Darlehen ist Bonität des Kunden. Wenn man weiß, wie penibel Banken zum Beispiel bei selbstgenutzten Immobilien Bonität und Objekte überprüfen, ist diese Vorgehensweise von damals kaum nachzuvollziehen. „Umsatz vor Sicherheit“ – ein Kardinalfehler bei der Vergabe von Krediten.

Die Belange des Kunden bleiben hierbei unberücksichtigt. „Überhöhte Kaufpreise und schlechte Anlageobjekte werden doch von einer Bank nicht finanziert“, so die irrige Auffassung vieler Geschädigter. Die Realität ist anders. Zwar waren nicht alle Banken gleichermaßen bei diesen Finanzierungen beteiligt, einige aber um so engagierter. Ein unrühmliches Beispiel ist dabei die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, inzwischen verschmolzen mit der Bayerischen Vereinsbank. Massive Wertberichtigungen in den Bilanzen sind ein untrügliches Zeichen dafür, daß Kredite in erheblichem Umfang bereits notleidend sind.

Das dicke Ende aber kommt noch. Viele Anleger zahlen – noch – zähneknirschend, und eine eigentlich schon gescheiterte Baufinanzierung wird so am Tropf hängend am Leben erhalten. Die Realisierung der Verluste würde in vielen Fällen zum privaten Konkurs führen und damit direkt in das neu geschaffene private Insolvenzverfahren. Den Anlegern bleibt nur die Hoffnung, daß der Immobilienmarkt sich erholt, oder daß die Gerichte dazu übergehen werden, Ansprüche gegen Banken häufiger als in der Vergangenheit zu bejahen. Die Politiker haben bereits, wenn auch zu spät, reagiert: Die Abschreibungsmöglichkeiten werden reduziert. Christian Schmid-Burgk

In der nächsen Ausgabe „Geld & Versicherungen“ am 5. Dezember: „So finanziert man richtig“.