■ Italien: Prodi tritt nach Niederlage im Parlament zurück
: Lust am Königsmord

„Autolesionismo di sinistra“ nennen die Italiener, was derzeit in der Politik ihres Landes abläuft, linke Selbstzerfleischung. Kaum hat die Linke einen Zipfel Macht erwischt, schon arbeitet sie kräftig daran, daß daraus kein Dauerzustand wird.

Tatsächlich ist, was die Neokommunisten um Fausto Bertinotti nun mit dem Fall der Regierung von Romano Prodi bewerkstelligt haben, in Italien aber keineswegs nur ein Problem der Linken. Es gehört zur erprobten Tradition des Landes, daß niemand allzulange die Macht behalten darf. Meist wird er nicht vom politischen Gegner, sondern von den eigenen Leuten abgesägt.

In den sechziger und siebziger Jahren waren es die Sozialisten, die dem Seniorpartner Democrazia Cristiana regelmäßig Regierungskrisen bescherten. In den achtziger Jahren, als der Sozialist Bettino Craxi Ministerpräsident war, setzten die Christdemokraten ihr Oberschlitzohr Giulio Andreotti zum Opponieren ins Kabinett. Silvio Berlusconi hatte die Lega Nord in der Koalition, die ihn nach nur einem Dreivierteljahr aus dem Amt katapultierte. Und nun hat Romano Prodi eben von der Rifondazione Comunista die Stiefel vor die Tür gestellt bekommen. Das konnte offenkundig auch nicht der Blick auf die Erfolgsbilanz der Regierung Prodi, vom Euro-Zutritt bis zu Steuersenkungen, verhindern. Die in Italien geradezu zwanghafte Lust am Königsmord hat sich wieder einmal durchgesetzt.

Die Folgen für Italien könnten katastrophal sein. Schon wenige Minuten nach dem Bekanntwerden des Regierungssturzes stürzte die vorher endlich wieder positive Börse senkrecht ab. Die Lira rutschte dort, wo die Valutaplätze am Freitag nachmittag noch offen waren, direkt in die Risikozonen des Euro. Auf einmal ist es wieder da, das von Prodi und seinem Haushaltsminister Ciampi in zweieinhalb Jahren mühsam abgebaute Image des notorisch unzuverlässigen Italien.

Der Chef der Neokommunisten, Bertinotti, glaubt, er habe noch alles in der Hand, könne gar die Koalition wieder flicken, wenn sich Prodi noch erneut – wie voriges Jahr mit der 35-Stunde-Woche – erpressen läßt. Doch selbst wenn: Im Ausland wird das Vertrauen wohl auf lange Zeit nicht mehr wiederherzustellen sein.

Und im Inland auch nicht. Die nächsten Wahlen, sofort oder in einigen Monaten, kann die Linke wohl schon heute abschreiben. Werner Raith