Bescheidenheit statt Egoismus

■ Premier Romano Prodi (59) war als Premier ein Hoffnungsträger. Der Wirtschaftsprofessor überzeugte durch Kompetenz und Ehrlichkeit

Nun hat er seine Wette verloren: Eine ganze Legislaturperiode sollte seine Regierung halten. Genau 876 Tage lang bestimmte Romano Prodi die Geschicke Italiens – bis zur gestrigen Abwahl. Damit rangiert der 59jährige, der an der Spitze des Mitte-Links-Bündnisses „Olivenbaum“ ins politische Rampenlicht trat, nach dem Sozialisten Bettino Craxi, der seit Mitte der achtziger Jahre den Rekord hält, auf Platz zwei.

Als Lichtgestalt im politischen Rom wurde Romano Prodi nach seinem Wahlsieg am 21. April 1996 gefeiert. Auf seiner intensiven Wahlkampftour vor zweieinhalb Jahren war ihm vielfach vorgeworfen worden, er wäre nicht charismatisch genug. Aber der Wirtschaftsprofessor, der in Mailand und London studiert hatte und in Bologna und Harvard Ökonomie und Industriepolitik lehrte, hielt seinen bunten Haufen geschickt zusammen und führte sein Minderheitskabinett mit Beharrlichkeit zu Erfolg und Stabilität. Unermüdlich setzte er seit seinem Regierungsantritt den Rotstift an, trimmte Italien auf „Maastricht-Norm“, machte sein Land fit für den Euro und sicherte Italien einen Spitzenplatz unter den EU-Staaten. „Jeder andere wäre in wenigen Monaten gescheitert“, meinen Kenner der italienischen Politszene.

Wenige Monate vor Beginn der Währungsunion steht Prodi nun vor einem Scherbenhaufen. Auch in der Stunde seiner Niederlage aber zeigte Prodi Format: „Ich bin nicht verbittert“, sagte er und bedankte sich bei seinen politischen Weggefährten. 31 Vertrauensabstimmungen, vielfach von Kommunistenchef Fausto Bertinotti inszeniert, überstand der professore. Die 32. wurde ihm zum Verhängnis.

„Qualität statt Quantität“ lautete Prodis Devise, Bescheidenheit statt Egoismus. Damit avancierte er zum Hoffnungsträger vieler Italiener. Stets konnte der gläubige Katholik mit seiner ruhigen Art die Menschen überzeugen. Wenn der pausbackige, unheilbar freundliche professore unters Volk geht, gewinnt er die Herzen sofort. Ein Mann derart zum Anfassen, daß man ihn „am liebsten als Kuscheltier mit ins Bett nehmen möchte“, wie eine Wählerin sich mal ausdrückte. Ehrlichkeit und Kompetenz bescheinigten ihm sogar politische Gegner. Sachlich und beschlagen bietet er seinen politischen Gegnern Paroli. Abseits des Rampenlichtes setzte Prodi Reformen in Gang, nahm die aufgeblähte und ineffiziente italienische Bürokratie ins Visier. Dem Bild des modernen Erfolgspolitikers, der vor allem telegen sein soll und um keine Antwort verlegen, entspricht er nicht. Daß er während des Wahlkampfes 1996 im Fernsehen keine Shownummer darstellte, kompensierte er, indem er sich beim Joggen ablichten ließ.