Prodis Sturz leitet tiefe Krise Italiens ein

■ Italiens Ministerpräsident verliert hauchdünn Vertrauenabstimmung. Linksregierung nach zweieinhalb Jahren am Ende. Urheber der Niederlage ist Neokommunistenchef Bertinotti. Eine langwierige Regierungsbildung droht

Rom (taz) – Regierungskrise in Italien: Eine Stimme fehlte Ministerpräsident Romano Prodi am Freitag nachmittag im Abgeordnetenhaus bei der Vertrauensfrage; unmittelbar danach erklärte der Regierungschef seinen Rücktritt.

Ausgelöst hatte die Krise der Sekretär der Neokommunistischen Partei Rifondazione comunista, Fausto Bertinotti. Er hatte vergangenes Wochenende in der Parteileitung den Vertrauensentzug für Prodi durchgesetzt, weil seiner Ansicht nach das Haushaltsgesetz 1999 der Massenarbeitslosigkeit und dem unterentwickelten Süden des Landes zuwenig Rechnung trug. Obwohl die Mehrheit der Abgeordneten der Rifondazione comunista zusammen mit dem aus Protest zurückgetretenen Parteipräsidenten Armando Cossutta für Prodi stimmte, reichte es am Ende nicht. 312:313 gegen Prodi stimmte das Parlament ab.

Staatspräsident Scalfaro kann nun einen neuen Kandidaten mit der Bildung einer Regierung beauftragen oder eine „institutionelle Persönlichkeit“ wie einen Parlamentspräsidenten oder den Chef des Verfassungsgerichts mit dem Mandat versehen, auszuloten, ob es überhaupt noch Chancen für eine Mehrheit im Parlament gibt. Scheitert dies, kann er Neuwahlen ausschreiben, wie es die Rechtsopposition schon lautstark fordert.

In Italiens Öffentlichkeit herrscht überwiegend Betroffenheit. Vor dem Parteisitz der Neokommunisten zog Polizei auf, um Bertinotti-Anhänger von ihren Gegnern zu trennen. In jenen Medien, die nicht gerade von Oppositionsführer Berlusconi beherrscht werden, überwiegen besorgte Kommentare – sie weisen vor allem auf die möglichen internationalen Folgen des Regierungssturzes hin, in einem Moment, wo zum Beispiel mit Entscheidungen über den Einsatz von Militär in Ex-Jugoslawien alle politischen Kräfte gefordert sind. Die Börse verlor innerhalb weniger Minuten nach der Abstimmung vier Prozent. Werner Raith

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