: Manhattan und Neukölln nehmen
■ Zeigt her eure Wohnung, zeigt her eure Kunst! „Selfportrait where I live“ – Bilder von Tristan Wolski in der Zimmergalerie Ulf Wetzka
Erst denkt man: Klasse, sieht ja aus wie in „Pulp Fiction“. Zwei Typen mit Revolver in der Hand stehen in einem Imbißrestaurant und bedrohen irgendwen. Aber beim genaueren Hinsehen entpuppen sich die Bedrohten als Automatenfiguren. „Lethal Enforcers“ von Tristan Wolski zeigt eine ganz normale Alltagsszene aus New York. Jetzt werden seine Arbeiten in der Neuköllner Zimmergalerie von Ulf Wetzka ausgestellt. Da passen sie auch bestens hin. Denn beide, Künstler wie Aussteller, haben etwas zu erzählen. Der eine tut dies mit seinem Bilder-Tagebuch, der andere, in dem er Besuchern Einblick in seine Wohnwelt gewährt.
Die Zimmergalerie befindet sich in Ulf Wetzkas Ein-Raum- Wohnung. Weil Kunst in Küche, Flur und Wohnraum hängt, hat man prima Gelegenheit zu sehen, wie so ein Neuköllner lebt. Er hört zum Beispiel Jazzradio, und auf dem noch ungeheizten Ofen liegt ein Weinlexikon. Wer mit Wetzka plaudert, bekommt schon mal einen Espresso serviert und kann nebenbei Neues von der Biennale erfahren, denn der Zimmergalerist hat den Assistenzjob beim Projekt „Plattform“ übernommen.
„Selfportrait where I live“: Tristan Wolski zeigt uns den Alltag im Moloch New York von einer ganz anderen Seite. Mal nicht Mord und Totschlag, sondern Situationen wie diese: Auf der Bühne im Park singt ein schwarzer Chor, eine nette Punkerin zieht eine durch, selbst der bettelnde Penner in der U-Bahn kommt total nett rüber. Ob's am T-Shirt mit dem Jurassic- Park-Logo liegt? Tristan Wolski steht in der amerikanischen Erzähltradition. Er spaziert durch seine Heimatstadt und skizziert zu Hause die Szenen mit Bleistift, zeichnet die Ränder mit Tusche nach und füllt seine Alltagshelden mit Wasserfarben aus.
Geboren 1955 in Warschau, wuchs er in Zaire auf, wanderte nach Montreal aus, studierte Kunst und lebt seit 1976 in New York. So einer entwickelt von ganz allein ein ethnographisches Gespür für den Alltag. Am schönsten ist das auf seinen Papierrollen zu sehen. „Scroll“ beschreibt Comic-like Wolskis Umgebung: Häuserschluchten, Autolawinen, Spaziergänger, winkende Polizisten, flirtende Menschen, Penner in Pappkartons. Wolski hat kleine Kommentare dazu geschrieben, etwa: „Die Straßen in New York sind fast so wie die in Paris“. Er hätte aber auch Berlin schreiben können. Andreas Hergeth
Bis 25. Oktober, Mo. 15–19 Uhr und nach Vereinbarung (6261233) Zimmergalerie Ulf Wetzka, Nogatstraße 37, Neukölln
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