■ Die Union wirbt künftig um ehemalige SED-Mitglieder
: Abschied vom Feindbild

Abschiednehmen ist das Motto der CDU in diesen Tagen – erst von der liebgewonnenen Regierungsmacht, dann von dem großen Vorsitzenden. Jetzt hat Wolfgang Schäuble das altgediente Feindbild der „roten Socken“ in den Ruhestand verabschiedet. Die Union müsse sich für ehemalige SED-Mitglieder öffnen, erklärt er. Der bisherige Umgang der CDU mit ehemaligen SED-Mitgliedern sowie der PDS folgte einem durchsichtigen Kalkül. Den Mitgliedern der Ost-CDU wurde eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl viele von ihnen über Jahrzehnte als treue DDR-Funktionäre gedient hatten. Ihre früheren Kollegen mit SED-Parteibuch sollten hingegen allesamt bis in alle Ewigkeit als Parias gelten.

Wolfgang Schäubles zustimmende Antwort auf die Interview-Frage, ob die CDU nun „ihren Frieden mit ehemaligen SED-Mitgliedern“ mache, ist keine Einsicht in die Unhaltbarkeit dieser Doppelmoral. Die Polarisierung funktionierte einfach nicht mehr. Die Wähler ließen sich bei der Bundestagswahl nicht in Gut und Böse auseinanderdividieren, sondern wählten die Union ab.

Dieser Mißerfolg treibt den designierten CDU- Vorsitzenden zum Kurswechsel in der Frage Ex-SED. Von „Öffnung für“ (Schäuble) und „gezieltem Werben um Funktionärseliten“ (de Maizière) ist plötzlich die Rede. Die zwei Millionen Menschen, die nach der Wende die SED und später die PDS verließen, sind plötzlich gefragte Parteimitglieder.

Im Gegensatz zur gescheiterten Strategie der Ausgrenzung, könnte die neue Strategie der Integration der ehemaligen SED-Mitglieder der Union langfristig sogar Erfolg bringen. Viele von ihnen haben sich nämlich rascher von altvertrauten Gewohnheiten des Lebens in der DDR verabschiedet als ihre weniger systemverbundenen Landsleute. Das Phänomen Wendehals gibt es ja wirklich: Nicht wenige, die früher Posten und Einfluß hatten, konnten beides nach der Wende halten. Und via Aufschwung Ost kam oft noch Eigentum hinzu. Diese Leute haben weder Bedarf an Sozialromantik à la PDS noch Interesse an rot-grünen Reformprojekten. Sie könnten in der Tat in der CDU ihre Interessenvertretung sehen.

Ein verschwindend kleiner Teil der CDU allerdings wird durch Schäubles Kurswechsel düpiert. Die Union sei „die eigentliche Heimat der Bürgerrechtler“, haben diese noch im Sommer behauptet. Auch von dieser Schimäre gilt es nun, Abschied zu nehmen. Robin Alexander