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Superfreunde werden

Die Schnittmenge aus Uta Danella und Blumfeld: Go Plus aus Hamburg scheuen sich nicht, peinlich und uncool zu sein  ■ Von Gerrit Bartels

Es gibt sie ja immer wieder: Bands, an denen sich die Geister scheiden, Bands, die entweder uneingeschränkte Begeisterung oder totale Ablehnung hervorrufen. Wie Go Plus zum Beispiel, ein deutsches Trio aus Hamburg. Bei ihrem Konzert im Juli im Glashaus stürzten sie ihr Publikum von einer Verlegenheit in die nächste und brachten die Entscheidung, ihr Album „Largo“ klasse zu finden, noch einmal gehörig ins Wanken.

Da bedankte sich Sänger und Gitarrist Pit Przygodda irgendwann bei ausnahmslos allen, denen Go Plus ihre bisherige Existenz, ihre zwei Alben, diesen Auftritt zu verdanken hatten. Was sehr rührend war, sehr peinlich, irgendwie nicht zur Umgebung passen wollte. (Allerdings war es eine Record- Release-Party, da macht man sowas vielleicht immer.) Und da lief dann am Ende ein Video zu ihrem Song „Superfreunde“, der Assoziationen zu „Hanni und Nanni“ und „Lassie“, und „Ferien auf dem Reiterhof“-Nachmittagsserien herstellte. Zweimal geschluckt, einmal überlegt, daß so was zu Go Plus einfach paßt, und dann geklatscht. Go Plus, die haben was, was andere Hamburger Bands nicht haben: Sie sind uneingeschränkt offen, wenn sie „Ich“ sagen, kommt ihnen kein lyrisches Ich in die Quere. Sie meinen nicht, ihre sicher nicht unkomplizierten Befindlichkeiten differenziert, abgewogen oder auf Meta-Ebenen ausdrücken zu müssen, und auch larmoyante Tocotronic-Fröhlichkeit ist ihnen fremd.

Und so konfrontieren sie den Indiehörer, der bei ihnen nicht zuletzt durch ihr Label, durch Kitty Yo, angelockt wird, mit allem, was der sich zwar gern mal denkt, doch selbst in den schwächsten Stunden nicht zu sagen getraut. Go Plus singen Sachen wie „Nur weil, immer wieder möchte ich es spüren, wie Haut sich anfühlt, was Lippen tun, wie Augen aussehen, wenn sie sich langsam öffnen, Berührungen sich anfühlen, wenn sie vertrauen wollen“. Das trifft ins Mark aller Freunde und Freundinnen von Uta Danella und Ulla Hahn, könnte aber auch gestandene Coolness- Verfechter zu Tränen rühren: „Ich weiß, daß es knistert, und es knistert schön, wenn wir uns sehen – jedenfalls tut es das bei mir.“

In eine Szene in Hamburg seien sie zu Anfang nicht reingekommen, nur Freunde und deren Bekannte hätten sie wahrgenommen, gesteht Pit Przygodda im Bandinfo. So was prägt, macht unbeschwert und führt dazu, einfach nur Popsongs machen zu wollen und Nik Kershaw neben den Beatles und XTC als Inspirationsquelle angeben zu können.

Für „Largo“ konnten sie dann in Tobias Levin von Cpt. Kirk auch einen Produzenten gewinnen, der ihrer Musik im Studio einen entsprechend luftig-aufgeschlossenen Rahmen gab. Denn Texte hin, Texte her, ihren Sounds sich zu verschließen fällt schwer. Die Gitarren sind hartnäckig leicht, die Akkorde berühren sich manchmal wirklich zu Streicheleinheiten (ein Zitat aus „Song for Brian“, einer Hommage an Brian Wilson), jaja, und Schlagzeug- und Keyboard- töne sind wohlgesetzt und unaufdringlich.

Die Songs schwingen im Raum, lassen tausend gute Gedanken kommen, wie den, daß man vielleicht wirklich einfach die Gitarre nimmt und ein Lied schreiben kann, wenn ein Mädchen einen auf der Straße freundlich anguckt. Und verscheuchen wiederum einen Gedanken wie den, daß man eine in derselben Kategorie musizierende Band wie Nationalgalerie immer Scheiße fand. „Auf der Suche nach dem Glück“, hieß mal ein Album der Hamburger Saal 2. Fanden die damals lustig, mit Go Plus aber darf man ganz ernsthaft, unironisch und freudestrahlend danach suchen.

Go Plus spielen heute abend ab 23 Uhr in der Galerie berlintokyo, Rosenthalerstr. 39, Mitte

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