: Fast food für Jazz-Liebhaber
■ Das JazzFest bekommt Konkurrenz: Der Festivalmacher George Wein hat mit Sponsor JVC ein zweites Jazzfest in Berlin organisiert
Eigentlich ist es ein ungeschriebenes Gesetz: Mit Jazz läßt sich nicht das große Geld machen. Der amerikanische Festivalmacher George Wein hat es trotzdem geschafft, die Elektronikfirma JVC von der Werbewirksamkeit dieser Musik zu überzeugen. In New York, Den Haag, Toronto, Newport sponsert JVC die dortigen Jazzfestivals, und in Berlin macht JVC nun mit einem eigenen Festival dem angestammten JazzFest Konkurrenz. George Wein setzt beim Buhlen um Sponsoren zum einen auf die Dehnbarkeit des Begriffs „Jazz“, unter dem sich alles vereinen läßt, „was die Leute hören wollen“. Und zum anderen auf traditionsreiche Festivals wie Newport oder Montreux.
So war das eigentlich auch in Berlin geplant. Es gab Gespräche mit den Verantwortlichen des JazzFests, die aber vor allem daran scheiterten, daß George Wein gern die Kontrolle über die künstlerische Leitung behält. Das aber wiederum geht nicht bei einem subventionierten Festival wie dem JazzFest, das soweit wie möglich unabhängig sein soll.
Schon in den Sechzigern wurde die „Jazzmafia“ um den „Paten“ George Wein dem Vorgänger des hiesigen JazzFests fast zum Verhängnis. Damals waren die großen Namen des Jazz fast alle bei George Wein unter Vertrag. Wer einen Star buchen wollte – ob Miles Davis, Ella Fitzgerald oder Duke Ellington – mußte ein ganzes Paket an Musikern mit kaufen, die kein Mensch hören wollte, die aber jede Menge Geld kosteten.
Inzwischen umspannt George Weins Firma „Festival Productions“ mit Hilfe des Geldes von JVC fast den Globus. Fast food statt künstlerischer Anspruch halt, und man versteht sich bei JVC auch nicht wirklich als Konkurrenz zum drei Wochen später stattfindenden „seriösen“ JazzFest.
Die Hauptveranstaltungen von JVC finden in der Columbiahalle, im Tempodrom und in der Philharmonie um jeweils 20 Uhr statt, beginnend mit einem Konzert des 18jährigen Blueswundergitarristen und Chart-Abräumers Jonny Lang. Dazu hat man den blinden Cootie Stark ausgegraben, den „vergessenen Helden des Blues“, der alt und arm in einer Ghettowohnung haust und es den „Bluesnazis“ übelnimmt, daß Muddy Waters bevorzugt wurde. Statt des angekündigten Staraufgebots – im Gespräch waren u.a. Stevie Wonder und Wynton Marsalis – kommen jetzt Musiker, die sonst im Quasimodo aufgetreten wären, wie Michael Brecker, Danilo Perez oder Joe Zawinul. Immerhin klingen die Namen Mingus und Monk nach legendären Blue-Note-Zeiten. Leider sind beide Musiker bereits verstorben, und die Big Band der Witwe Sue Mingus sowie das Sextett des Sohnes T. S. Monk sollen die Musik der großen Jazzkomponisten lebendig halten. Wie geplant finden die „Club-Gigs“ im Quasimodo statt, wo der „pure Jazz“ in kleiner Besetzung stattfinden soll. Laut Quasimodo-Betreiber Georgio Carioti hätten sie das zwar auch ohne JVC, doch trotzdem ist Carioti stolz auf die Zusammenarbeit mit George Wein und begreift sie als Würdigung des Quasimodos als langjähriger und erster Jazzclub am Platz.
Obwohl das Programm von JVC nichts Außergewöhnliches bietet, wird sich der vor sich hindümpelnde Dinosaurier JazzFest nicht allein auf seiner Tradition ausruhen können und um neue Inhalte bemühen müssen. Maxi Sickert
JVC JazzFestival: 16. u. 17.10. in der Columbiahalle, 18.10. Tempodrom, 19.10. Philharmonie, jeweils 20 Uhr; und vom 15. bis 19.10 im Quasimodo ab 22 Uhr
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