Kein Orgasmus

■ Neue Bundesregierung will Medienkontrolle neu ordnen und erbost damit Bayerns Stoiber

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) führt überall die Parolen von der „Modernisierung“ und „Verschlankung“ der Verwaltung im Munde. Doch als der Regierungschef gestern bei den Münchner Medientagen auf einen Vorschlag aus Bonn zu sprechen kam, nach dem die Kompetenzen ausgerechnet auf seinem Lieblingsfeld, der Medienpolitik, neu geordnet werden sollten, machte er Regierungschef kurzen Prozeß: Er fuhr mit der Hand durch die Luft: „Damit ist nichts gewonnen“, sagte er dann und versuchte besonders energisch auszusehen. Dann schwärmte Stoiber noch von der deutschen Medienvielfalt, die nur der Vielfalt der Medienkontrolle zu verdanken sei. Andere sprechen lieber von „Regulierungswirrwarr“, etwa Stoibers NRW-Kollege Clement.

Der Anlaß für Stoibers Aufregung: Ein Vorschlag aus der SPD, den Parteivize Wolfgang Thierse und der SPD-Politiker Siegmar Mosdorf ausgeheckt haben. Über ihn will die SPD am Freitag bei ihren Koalitionsverhandlungen mit den Grünen reden. Danach soll es einen „Kommunikationsrat“ geben, der die Aufsicht über Rundfunk, Fernsehen und Telekommunikation koordiniert. In dem Rat sollen Vertreter aus Bund und Ländern sitzen und die zersplitterten Kompetenzen ordnen.

Thierse hat das Modell schon mit einigen SPD-Ländern besprochen. In dieser Woche hat offenbar der mächtige SPD-Mann Wolfgang Clement mit Stoiber über dieses Thema gesprochen. Schließlich müßten sich über eine Änderung alle 16 Ministerpräsidenten einigen – denn die sind in Deutschland für die Medien zuständig.

Die Medienpolitik des Bundes soll nach Informationen aus Kreisen der künftigen Koalitionspartner Gerhard Schröders Kulturbeauftragter Michael Naumann übernehmen. Naumann soll demnach unter anderem die Zuständigkeit für die Bundesfilmförderung bekommen, die bislang im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Auch darüber, ob er die Zuständigkeit für den Auslandssender Deutsche Welle bekommt (bislang im Auswärtigen Amt), wie es die Grünen fordern, sollte in den Koalitionsverhandlungen gestern gesprochen werden. Bei allen Koordinierungsbemühungen aus Bonn kriegt aber nicht nur der schwarze Rest um Stoiber Angst, der Bund wolle auf diesem Wege Teile der Länderkompetenzen im Rundfunk an sich ziehen. Das könne eine „Eigendynamik“ bekommen, ist aus einer SPD-Staatskanzlei zu hören. Dabei wurde bei der Konzeption des „Kommunikationsrat“-Modells schon auf Einbindung der Länder geachtet: Die Landesmedienanstalten sollen sich danach zu einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder zusammenschließen.

Neben den 15 Landesmedienanstalten, die den Privatfunk überwachen, und der Regulierunsgbehörde (für Kabel/Internetdienste etc.) gibt es bislang auch noch der „Kommission zur Ermittlung der Medienkonzentration“ (KEK), die Meinungsmacht verhindern soll. Dazu kommt die ganz normale Kartellprüfung der Kartellbehörden in Berlin und Brüssel.

Die Aussichten für eine Bündelung des Durcheinanders sind dennoch ungewiß – nicht nur weil Länder und bestehende Behörden auf ihren Kompetenzen beharren. Nicht so anregend finden manche Ländervertreter auch Erfahrungen, die Bund und Länder miteinander gemacht haben, als sie versuchten, etwa das Internet gemeinsam zu regeln. Da sei es „nie richtig zum Orgasmus gekommen“, sagt ein SPD-Staatskanzleivertreter. Ein Gremium wie der „Kommunikationsrat“ könne wohl das eine oder andere besprechen. Aber Kompetenzen, wie sie sich Thierse vorstellt? „Ein Wunschtraum“. Lutz Meier