Ein Sieg für die Demokratie, der viel zu spät kommt

■ Bayerns Verwaltungsgerichtshof läßt überraschend Bürgerbegehren gegen Reaktor in Garching zu

München (taz) – Das derzeit umstrittenste deutsche Atomprojekt, der neue Garchinger Atomforschungsreaktor FRM-II, hat den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) beschäftigt und nach zweijährigem Rechtsstreit nun zu einem unerwarteten Urteil geführt: Der 4. Senat des VGH erklärte ein geplantes Bürgerbegehren einer Bürgerinitiative aus Garching für zulässig. Damit soll die Stadt Garching verpflichtet werden, alle rechtlichen Möglichkeiten gegen das Projekt zu ergreifen.

Doch so positiv die Entscheidung aus demokratischer Sicht auch sein mag und so sehr sich die Initiatoren auch darüber freuen, es ist ein Sieg, der schlichtweg zu spät kommt.

„Im Prinzip kommt das Urteil viel zu spät“, kritisiert Rudi Amannsberger, Energiereferent der Grünen im Bayrischen Landtag. Es zeige sich einmal mehr, daß eine Kommune ungeliebte Bürgerentscheide kurzerhand auf den Rechtsweg verschieben könne. „Durch das Verfahren sind doch schon über weite Strecken vollendete Tatsachen geschaffen worden“, konstatiert er.

Zwei Teilerrichtungsgenehmigungen seien nämlich schon erteilt. Pikanterweise hatte der Garchinger Stadtrat mit eben der ersten erteilten Genehmigung auch die Ablehnung des Bürgerbegehrens begründet. Sollte der Bürgerentscheid in der Forschungsstadt Garching durchgehen, dann kann die Stadt nur noch gegen die dritte Teilerrichtungsgenehmigung klagen, erklärte Amannsberger: „Aber ich verspreche mir in dieser Hinsicht viel mehr von der Politik.“

Tatsächlich ist noch längst nicht klar, ob sich beim Bürgerbegehren und letztlich beim Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen das Projekt findet. Die neue Bundesregierung werde wohl schneller als der Bürgerentscheid dafür sorgen, daß das umstrittenste Teilprojekt im Zusammenhang mit dem Forschungsreaktor gekippt werde. Gemeint ist der geplante Einsatz von HEU, von hochangereichertem Uran, das als atomwaffenfähig gilt und gegen dessen erstmaligen Einsatz in einem Forschungsreaktor auch die USA massive Einwände erhoben hatten.

Das 760-Millionen-Projekt der Technischen Universität München soll den seit 1957 betriebenen alten Forschungsreaktor, das „Garchinger Atomei“, ersetzen und Ende 2001 in Betrieb gehen. Gegen das Vorhaben haben unter anderem die Stadt München sowie zahlreiche Anwohner Protest eingelegt.

Die künftige Betreiberin, die TU München, wie auch der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) geben sich gelassen. Er, so der Minister, gehe davon aus, daß die Garchinger Bürger „den neuen Reaktor als Signal für den Aufbruch in eine neue Ära der Spitzenforschung sehen“. Klaus Wittmann