„Jetzt können wir nicht weinen“

■ Anke Fuchs, 61, noch Vizefraktionschefin der SPD und künftige Vizebundestagspräsidentin, über Konkurrenz und Quote

taz: Die SPD-Frauen beschweren sich ständig, sie bekämen keine einflußreichen Posten in der neuen Regierung. Jetzt wurde Ihnen sowie der Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier der SPD-Fraktionsvorsitz angeboten. Warum haben Sie abgelehnt?

Anke Fuchs: Wir sind natürlich nicht nur für Notlagen da. Erst wird alles mit Männern besetzt, dann klappt es nicht, und jetzt sollen die Frauen auf das Angebot hereinfallen. Fraktionsvorsitzender zu werden ist eine Entscheidung, die man nicht von jetzt auf eben fällen kann. Ingrid Matthäus- Maier und ich haben sehr viel Arbeit in die Fraktion investiert, wir haben ganz andere Lebensperspektiven und können nicht wie aus dem Hut gezaubert ein solches Mandat übernehmen.

Also der Rückzug ins lauschige Privatleben, statt sich der Macht zu stellen?

Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, hätte ich es natürlich gemacht. Im übrigen werden die Machtperspektiven für die Frauen erst dann reifen, wenn wir von Beginn an bei Vorschlägen im Gespräch sind. Man muß zum richtigen Zeitpunkt die richtige Person für einen Posten haben. Bundestagspräsident soll ein Abgeordneter aus Ostdeutschland werden. Und da hatte Wolfgang Thierse von Anfang an das beste Standing. Ähnlich ist es bei der Bundesverfassungsgerichtspräsidentin. Jutta Limbach macht das phantastisch, aber sie war ja auch im Auswahlverfahren gleichberechtigt berücksichtigt. Natürlich wäre auch eine Frau als Bundespräsidentin denkbar. Aber da frage ich alle, die das wollen: Wen habt ihr denn?

Jutta Limbach haben Sie ja gerade selbst erwähnt. Wäre sie als Bundespräsidentin nicht eine bessere Wahl als der bisherige Favorit Johannes Rau?

Dazu äußere ich mich nicht. Jutta Limbach ist eine vorzügliche Verfassungsgerichtspräsidentin, lassen wir sie bitte ihre Arbeit tun. Es macht keinen Sinn, die wenigen qualifizierten Männer und Frauen, die wir haben, immer in ein Personalkarussell einzubinden. Wir werden jetzt zu meiner riesigen Freude einen sozialdemokratischen Bundeskanzler wählen, wir werden mit Ministerinnen und parlamentarischen Staatssekretärinnen sehr gut vertreten sein. Insgesamt müssen die Frauen natürlich noch drücken, das ist ihr gutes Recht. Aber wir sind auf einem guten Weg.

Sie haben in einem Interview gesagt, es gebe sozialdemokratische Frauen und „Frauen- Frauen“. Sind Parlamentarierinnen, die sich für ihre Kolleginnen stark machen, denn für Sie nur die Quotenmäuschen?

Durch die Quote haben wir heute viel mehr Frauen als früher. Natürlich können wir keine Staatsfunktionen quotieren, das geht nicht. Frauen müssen lernen, sich gegen Männer durchzusetzen und untereinander Konkurrenz auszuhalten. Mir wäre es auch lieber, wir hätten rechtzeitig Frauenpower organisieren können. Aber jetzt können wir nicht weinen, sondern müssen mit den Frauen, die wir haben, gute Arbeit leisten. So daß alle sagen: Donnerwetter, das hat für die Frauen was gebracht.

Wie wäre es denn künftig mit einer Frau als SPD-Geschäftsführerin?

Vielleicht könnte Inge Wettig- Danielmeier das machen. Sie hat doch gesagt, wir Frauen sollen springen. Ich schlage sie als SPD- Geschäftsführerin vor.