Der Herbst kommt – der HSV blüht auf

■ Gegen den Tabellenletzten schafften sogar Bennos Waisen ein 3:0 in Freiburg Von Ulrich Fuchs

Jürgen Hartmann, der zurückhaltende Schwabe, brachte die kritische Lage nüchtern auf den Punkt: „Noch ist Zeit, aber langsam wird es wirklich brenzlig.“ Eine Diagnose, die sich nach dem ersten Saisonsieg der Hanseaten mit einiger Gelassenheit formulieren ließ. Denn ihr Adressat war ausnahmsweise einmal nicht der malade HSV, sondern dessen Gegner: Der Sport-Club Freiburg ist nach der 0:3-Heimniederlage im ausverkauften Dreisamstadion das größte Sorgenkind der Liga.

Die Hanseaten dagegen erlebten erstmals in dieser Saison, die angenehme Seite der Drei-Punkte-Regel. Zweifacher Torschütze im Badener Land war der neue Kapitän Jörg Ali Albertz, den dritten Treffer besorgte kurz vor Schluß Harald Lumpi Spörl. Der HSV hüpfte dadurch vom siebzehnten auf den elften Tabellenplatz, Freiburg dagegen in das tiefe Loch der sportlichen Krise.

Noch vor einem halben Jahr, als der fußballerische Erfolg im Übermaß über die Stadt schwappte, hatte der Sport-Club Freiburg ein T-Shirt mit dem Satz bedrucken lassen: „Du hast keine Chance, nutze sie – SC Freiburg.“ Jetzt ist ernst geworden aus dem koketten Spiel mit dem alten Sponti-Slogan. Die Krise des einstigen Liga-Lieblings droht sich zum freien Fall nach unten auszuweiten. Während drin im Kabinengang der ernst dreinblickende Neu-HSV-Präsident Uwe Seeler sein kickendes Personal per Handschlag beglückwünschte, war es dem Freiburger Publikum draußen nicht einmal mehr nach Pfeifen zumute. Statt Empörung über die desolate Vorstellung hatte sich tiefe Resignation breitgemacht.

Durch die eckigen Brillengläser von Felix Magath, Noch-Interims-Übungsleiter beim HSV, blinzelten umterdessen fröhlichere Augen. Kein Wunder, konnte er doch nach der „schweren Belastung“ einer bisher sieglosen Saison erste Erleichterung verspüren. Zumal er den Erfolg in Freiburg auch als Pfund in den Poker um die Möhlmann-Nachfolge mitnehmen konnte: „Ich setze mich jetzt sofort mit dem Präsidium zusammen und berate die Frage nach dem neuen Trainer.“ Neben dem Dank an die Mannschaft – „alle haben gearbeitet und sich reingekniet“ – entrichtete Magath deshalb auch artig seine Grußadresse an seinen eigens vom DFB-Bundestag angereisten Vorgesetzten: „Uwe Seeler ist enorm wichtig für die Stabilisierung des HSV“.

Was der Sieg in Freiburg sportlich wert war, blieb dagegen offen. Die Gastgeber taugten an diesem Tag kaum als Prüfstein für das Leistungsvermögen der Hamburger: Zu hilflos waren die Bemühungen der Freiburger, den frühen Rückstand aufzuholen, zu dilettantisch die Fehler, die die weiteren HSV-Treffer ermöglichten. Lediglich Neuzugang Alain Sutter (“Ich bin kein Heilsbringer“) überzeugte bei den abschlußschwachen Breisgauern. „Das Debüt Sutters war das einzig Positive“, greinte indessen Trainer Volker Finke, „aber einige andere Spieler begreifen es nicht, wieviel harte Arbeit es ist, in der Bundesliga wenigstens Mittelmaß zu sein.“

Überhaupt war viel von Arbeit die Rede am frühen Bundesligaabend. “Die Arbeit mit der Mannschaft macht Spaß“, berichtete Felix Magath, und der erneut überzeugende Albertz sah Aufwand und Ertrag der Profi-Mühen ins gerechte Verhältnis gebracht: „Wir haben die Woche über hart gearbeitet, die Mannschaft hat heute alles gegeben und ist endlich belohnt worden.“ Auch am nächsten Wochenende wird sich der Gegner des HSV aus den Niederungen der Tabelle rekrutieren. Dann ist nämlich der ebenfalls sorgengeplagte FC Kaiserslautern im Volksparkstadion zu Gast.