Keine Narben

Das Leben muß leider draußen bleiben: Bukowskis „Nichts Schöneres“ im Altonaer Theater  ■ Von Barbora Paluskova

Wäre Mechthild Magda Huschke ein echter Mensch, hätte sie gute Chancen auf eine viertelstündige Hauptrolle im Vorabendprogramm „Frau entsorgt Mann in der Häckselmaschine. Wie es zu der Tragödie kommen konnte, erfahren Sie nach der Werbung.“ Doch leider ist diese Frau nicht echt, sondern eine Kunstfigur aus Oliver Bukowskis Stück Nichts Schöneres, das am Mittwoch auf der Foyerbühne des Altonaer Theaters Hamburger Erstaufführung feierte. Eine Kunstfigur leider nicht deshalb, weil ihr der zweifelhafte Starruhm erspart bleibt. Sondern weil die Inszenierung von Franz-Joseph Dieken, der seit über einem Jahr zum Ensemble in Altona gehört und mit der Komödie seine erste Regiearbeit vorstellt, in einer hochgradig reduzierten Kunstwelt angesiedelt ist. Einer Welt, in der nicht nur das Fernsehen fehlt, sondern auch jeder Verweis auf das echte Leben.

In dieser Welt gibt es nur eine Wohnung mit einem Fenster, einer Tür und einem Sofa, auf dem Hannelore Droege in der Rolle der alternden Mechthild im schwarzseidenen Unterkleid sitzt und Schwänke erzählt. Wie die Gretschke von nebenan mit dem Wasserglas an der Wand horcht. Wie sie eine Kleinanzeige aufgab: Der Student, der sich meldete, vermachte ihr nach dem Sex ein Gedicht. Darin reimt sich zwar Mechthild auf Schild; aber es ist ja nur eine Arbeitsfassung. Und die alte Geschichte von dem Mann, der ihr den Ehering durch das Gesicht zog, rauf und runter. Zum Glück neigt sie nicht zur Narbenbildung. Die Ärzte waren erstaunt, und Dieter machte wieter. Deswegen endete er im Häcksler und sie im Gefängnis. Später in der Psychiatrie, wo es auch nicht besser war. Zum Schluß auf diesem Sofa, allein mit einer Pralinenschachtel. Unmöglich, daß sie da jemals wieder hochkommt. Nach 90 Minuten stellt sich Mechthild dann auch einfach tot, und das Licht geht aus.

Witzig ist dies nur zum Teil, und daß der Ernst nicht früh und nicht deutlich genug artikuliert wird, ist ein Nachteil. Weil es einen Unterschied macht, ob mit oder über Armseligkeit gelacht wird. Hannelore Droege ist in ihrem Monolog souverän und energiegeladen, die Inszenierung ist im Rhythmus und Timing schön straff und gut strukturiert.

Doch weil Droege als Mechthild so künstlich bleiben muß, schafft das Stück es nicht, einen Funken Sympathie für ihr vermasseltes Schicksal zu wecken. So muß man immer nur über sie lachen, und werden die Witze bitterer, gleicht die entstehende Stimmung einer verordneten Pietät, die ohne ein halbwegs menschenähnliches Objekt keinen Sinn ergibt. Denn niemand hat Mitleid mit einer Comicfigur. Barbora Paluskova

bis Samstag, 21. November, 20 Uhr, Altonaer Theater, Foyerbühne (nicht täglich)