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Aufregung um Gebührenvergleich

■ Traue keiner Statistik ... Der taz-Gebühren-Vergleich München/Hamburg gefällt der hiesigen Stadtreinigung nicht

„Ich denke, daß die Leistungen der Stadtreinigung Hamburg es wert sind, richtig dargestellt zu werden. Sie halten jeden Vergleich mit München aus. Ich bitte Sie deshalb um eine entsprechende Richtigstellung.“ Mit dem Brustton der Überzeugung reagierte die Hamburger Stadtreinigung auf einen Bericht der taz (19. 10.), welche die Münchner Gebührensenkungslawine des Jahres 1996 mit der Preissteigerungspolitik der Hamburger Stadtreinigung verglich.

Während München seine Gebühren um 10 Prozent senkt, will Hamburg seine Gebühren um gut 6 Prozent erhöhen. Stolz behauptet die Stadtreinigung, daß die Münchner 120-l-Restmülltonne mit 511,20 DM pro Jahr selbst 1996 noch um 24 Prozent teurer ist als die Hamburger Tonne, die angeblich bloß 411,77 DM kostet. Bei größeren Müllbehältern sei der Vorsprung Hamburgs sogar noch deutlich größer.

Was auf den ersten Blick nach überzeugender Richtigstellung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hingucken als uneleganter doppelter Taschentrick:

Trick 1: Während München fast flächendeckend eine braune Biotonne und – jetzt neu – eine blaue Papiertonne aufgestellt hat, wandert in der Mehrzahl der Hamburger Haushalte immer noch der Großteil des Abfalls unsortiert in die kostenpflichtige Restmülltonne. Die konsequente Abfallwirtschaftspolitik des grünen Münchner Kommunalreferenten Georg Welsch hat dazu geführt, daß Münchens Haushalte deutlich weniger Restmüll produzieren. Obwohl damit naturgemäß die Kosten pro Restmüll steigen, fahren die Haushalte wirtschaftlich erheblich besser, da die Einsparungen die Kostensteigerungen übertreffen.

Trick 2: Hamburg hat trotz Kritik von Abfallwirtschaftsexperten eine Grundgebühr für Müllgefäße eingeführt und wird dazu ab 1996 ein Deponiekopfgeld pro Haushalt von zunächst 13,80, später 24 DM pro Jahr einführen. Damit nicht genug: Mit einer Umstellungsgebühr von 40 Mark bestraft Hamburg all diejenigen, die auf kleinere Müllgefäße umsteigen wollen. Hinzu kommen die Billigpreise für Großmüllbehälter, die zum Müllmachen herausfordern. Das Ergebnis: Wer 1996 in Hamburg auf eine 120 Liter-Tonne umsteigt, zahlt 411,77 Mark für Müll, 96 Mark Grundgebühr, 13,80 Mark Deponiekopfgeld und 40 Mark Umstellgebühr – zusammen also 561,57 Mark, also zehn Prozent mehr als die Münchner, die für ihr Geld auch noch Biotonne und Papiertonne erhalten. Übrigens: Ein moderner vierköpfiger müllbewußter Haushalt kommt sogar ohne Biotonne locker mit einem 60-Liter-Müllgefäß pro Woche aus.

Während München die Müllmenge zum Kriterium der Preise macht und damit einen Run auf kleinere Müllgefäße auslöste, setzt Hamburg auf eine müllbewußte Haushalte gezielt bestrafende Preispolitik. Ungeniert prahlt die Stadtreinigung denn auch: „In Hamburg wird die weit überwiegende Menge des Hausmülls in Müllgroßbehältern abgefahren.“ In seiner aktuellen Oktoberausgabe schwoll selbst dem gewiß nicht grüner Anwandlungen verdächtigen Verbandsorgan „Hamburger Grundeigentum“ der Kamm: Im Leitartikel, überschrieben „Müllgebühren – Skandal ohne Ende“, stellt es fest: „Sinn der neuen Regelungen kann es nur sein, den Verbraucher von der Müllvermeidung und Gefäßreduzierungen abzuschrecken.“ Florian Marten

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