Press-Schlag: Liaison der Leidenden mit dem Leitenden
■ Zu Gladbachs kriminaler Krise
Bissig wie einst vor 30 Jahren, als ihm, noch als Spieler des FC Schalke 04, ein Hund an den Allerwertesten ging, tönte am Freitag Gladbachs Coach Friedel Rausch (58): Wenn es gegen Nürnberg wieder solch ein maues Gekicke gebe, dann werde es aber was setzen. Zusammensetzen werde er sich dann nämlich mit dem Vorstand und dafür sorgen („knallharte Gespräche“), daß beim Personal ratzefatz ausgesiebt werde. Spielerentlassung statt Trainerentlassung – eine hübsche Idee, nicht eben neu, auch schön populistisch, aber halt im wahren Leben eher sehr realitätsfern.
So tobte er – und schenkte wieder den gleichen Beschimpften und Verunsicherten sein Vertrauen – wie gehabt. Die Sündenböcke taten das Ihre: Grätschen zwar, alibitös momentweise etwas energischer als zuletzt (vor allem mehr als beim lustigen 2:7 in Freundschaft gegen Zweitligagigant Fortuna Düsseldorf), spielerisch aber blieb es quälende Schonkost. 0:2 – und die Fans zählen mittlerweile wutschnaubend den halben Kader als Entlassungskandidaten auf, so viele, daß die Borussia beim nächsten Mal höchstens noch zu siebt aufliefe.
Warum aber steht der Brachial- Pädagoge Rausch nicht selbst zur Disposition im Kopf-an-Kopf- Rennen mit Bremens Sidka um die erste Trainersuspendierung der Saison? Das hat zunächst ganz klar branchenübliche masochistische Gründe: Ewig dankbar sind die Fans ihrem Rausch („Wir haben Naiv-Punkte vergeben“), daß sie überhaupt noch mitleiden dürfen, schließlich gilt er als „Retter“ der vergangenen Spielzeit, weil er da zufällig auf der Bank saß. Und so feierten sie den Verantwortlichen fürs fußballfremde Gestochere auch am Samstag: „Friedel Rausch – das ist der beste Mann.“ Der Gelobte weiß: „Ich hab' eben Goodwill von den Leuten.“
Phonetische Gründe kommen hinzu. Wie soll man „Rausch raus“ skandieren? Rausch ist neben Daum und Wolf der einzige einsilbige Bundesligatrainer. Wie das rufen, zumal im typich rheinichen ch-sch-Idiom? Und „Friedel raus!“ klänge womöglich wie ein anfeuerndes Bekenntnis: „Friedel Rausch!“ Oder rufen sie das etwa längst und keiner versteht sie, was sie um so verbitterter macht?
Da kommt die aktuelle Meldung, der Ex-Borusse Berti Vogts werde ab Dienstag vor der Kamera stehen und in einem Tatort mit Manfred Krug mitspielen. Der mögliche Plot: Mordserie am Bökelberg, vergiftete Spieler, ertränkte Vorständler, ein dringend tatverdächtiger Terrier, der aber von einem zahnlosen Schalker Schäferhund entlastet wird. Ein übungsleitender Pädagogikprofessor Friedhelm Rausch fordert den vermeintlichen Täter Toni Polster zum Duell, als der als einziger Spieler am Leben bleibt. Oder war es Rausch selbst? Netzer? Rüßmann? Wir wollen der Ausstrahlung am 10. Januar nicht vorgreifen. Manfred Krug – der macht das schon. Bernd Müllender
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