Jährlich schaltet der Bund eine Stufe höher bei Ökosteuer und Haushaltsloch

■ Mit Rücksicht auf Schröder werden die Autofahrer auf „überschaubare“ Zeit verschont. Konjunkturschätzungen pessimistisch

Bonn/Berlin (taz) – In drei Stufen sollen die Benzin- und Energiepreise bis zum Jahr 2002 angehoben werden, so steht es im Ökosteuerkapitel des Koalitionstextes. Jeder Schritt soll zwölf Milliarden Mark Einnahmen bringen und zur Senkung der Lohnnebenkosten von heute 42,3 auf unter 40 Prozent verwendet werden. Wie hoch die Preiserhöhungen in der zweiten und dritten Stufe ausfallen, will die neue Regierung von der Energiepolitik der EU abhängig machen.

In der ersten Stufe, die kommenden Januar in Kraft tritt, steigt der Benzinpreis um sechs Pfennig pro Liter, das Heizöl wird um vier Pfennig teurer, Gas um 0,32 und Strom um zwei Pfennig je Kilowattstunde. Diese Anhebung reiche aus, um die Senkung der Lohnnebenkosten um 0,8 Prozentpunkte zu finanzieren, erklärten der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine und der Unterhändler der Grünen, Fritz Kuhn. Der zweite Schritt soll im Sommer 2000 und der dritte im Jahr 2001 erfolgen. Wie hoch Strom, Gas und Heizöl dann besteuert werden, ist noch ungewiß und hängt wohl auch davon ab, ob die Mineralölsteuer abermals angehoben wird.

Sowohl Lafontaine als auch Kuhn machten gestern deutlich, daß der Benzinpreis nur mit Rücksicht auf das Versprechen des künftigen Kanzlers Schröder vorerst auf sechs Pfennig festgelegt worden sei. Lafontaine betonte, Schröder habe sich aber nun auf einen „überschaubaren Zeitpunkt“ festgelegt. Kuhn sagte, wie hoch die Mineralölsteuer 1999 ausfallen werde, entscheide sich kurz zuvor. Der EU-Vorbehalt könnte also ein Trick der Verhandlungspartner gewesen sein, um den Benzinpreis in dieser Legislaturperiode doch noch über sechs Pfennig hinaus zu erhöhen. In anderthalb Jahren, so das Kalkül, wird es nicht mehr darauf ankommen, daß Kanzler Schröder sich kurz nach der Wahl auf sechs Pfennig festgelegt hatte.

Auch wenn sie um die Anhebung des Benzinpreises heftig gerungen haben, zeigten sich gestern Lafontaine und Kuhn erfreut über ihre Vereinbarungen. Kuhn bezeichnete das Ergebnis als „Durchbruch“. Zum ersten Mal in der Bundesrepublik werde es eine ökologische Komponente in der Steuerpolitik geben. Er hoffe, daß damit ein Signal gesetzt worden sei, daß es sich lohne, Energie zu sparen. Auch Oskar Lafontaine betonte, daß es bei der Ökosteuerreform um eine „ökologische Lenkungswirkung“ gegangen sei. Ob sie auch bei einer Benzinpreiserhöhung von sechs Pfennig eintritt? „Wir sind in der Summe zufrieden“, so Lafontaine.

Wie hoch auch immer die „Öko- Steuern“ der neuen Regierung in den nächsten Jahren ausfallen mögen: Nur mit größter Mühe dürfte die Rechnung aufgehen, Arbeitsplätze durch Steuer- und Abgabensenkungen für Arbeitgeber zu finanzieren. Denn im Haushalt des designierten Finanzministers Lafontaine klaffen überraschend große Löcher.

Von 17 zusätzlichen Milliarden Mark sprach die SPD am Freitag, die dem Bund allein im Haushaltsentwurf 1999 fehlen werden. Eine langsamere Konjunktur läßt die Steuereinnahmen sinken und die Arbeitslosenzahlen steigen. Die Süddeutsche Zeitung zitierte am Freitag aus einem internen Papier des Finanzministeriums. Bund, Ländern und Gemeinden fehlen demnächst 50 Milliarden Mark, die bereits in den Haushalten verplant sein sollen. Allein die Hälfte der Mindereinnahmen gehen auf das Konto des Bundesfinanzministeriums. So soll in den kommenden drei Jahren der Steuerausfall zunächst fünf Milliarden Mark betragen, dann neun und schließlich im Jahr 2001 rund 13 Milliarden Mark.

Wie Lafontaine über das Stopfen dieser Löcher hinaus noch eine Politik des Konjunkturankurbelns betreiben wird, darauf sind viele gespannt. Retten könnte ihn eine stärker wachsende Wirtschaft. Glaubt man jedoch den sechs großen deutschen Wirtschaftsinstituten, sieht es danach nicht aus. Die Konjunkturforscher an den Instituten sitzen gerade über der Endfassung ihres alljährlichen Herbstgutachtens. Das Ergebnis ihrer Schätzung soll laut Zeitungsberichten folgendes sein: 1999 beträgt das Wirtschaftswachstum 2,3 Prozent. Im Mai dieses Jahres hatten die Institute in ihrem Frühjahrsgutachten für das kommende Jahr noch ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent prognostiziert. Nur das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) soll ein Minderheitenvotum abgeben, das eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 Prozent erwarte, schreibt die WAZ. Die Institute rechnen allerdings für 1998 mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen um gut 100.000, im kommenden Jahr soll die Zahl bei 210.000 liegen.

Markus Franz, Reiner Metzger