Wenn Kuchen spricht

■ "Encluded" ist ein neues Multimedia-System, mit dem sowohl im virtuellen wie im realen Raum kommuniziert werden kann

Stellen Sie sich vor, Sie spazieren durch ein Museum für moderne Kunst. In dem Saal für Pop- art begegnen Sie den Pappmaché- Lebensmitteln von Claes Oldenburg, den vielen Marilyn Monroes und Suppendosen von Andy Warhol, Jasper-Johns-Fahnen und den Wesselman-Environments. Während Sie sich langsam über Oldenburgs „Fallendes Omelett“ beugen, gehen zwei kleine Scheinwerfer an, und ein paar erläuternde Worte zu Künstler und Exponat ertönen aus einer unsichtbaren Box. Wenden Sie sich hingegen dem nächsten Kunstwerk zu, erlöschen die Strahler wieder, statt dessen erscheint plötzlich auf einer weißen Projektionsfläche das Gesicht von Lou Reed, während dessen cool-knarzige Stimme schließlich den Raum erfüllt: „Now I'm beginning to see the Light ...“

Bislang existiert dieses Interaktionskonzept lediglich als Prototyp in einem Friedrichshainer Hinterhof, in den Räumen der jungen Berliner Firma Twosuns media development GmbH. Doch die Zeit, in der die Bilder wortlos an den Wänden der Museen hängen müssen, gleichwie Arbeit, die darauf wartet, bewältigt zu werden, könnte von nun an der Vergangenheit angehören. Unhandliche Audio-Guides und lärmige Gruppenführungen – möglicherweise längst Geschichte. Multimedia und Interaktion heißen die Zauberworte, die dem Menschen von heute fremde Sachverhalte vermitteln. Selbst Computerdarstellungen mit Touch-Me-Screens können als überholt gelten. Der Mausklick als Auslöser für Informationen? Nicht nötig. Die Kunstausstellung der Zukunft könnte statt dessen bald schon ein Ereignis sein, in dem Ausstellungsstücke mit mehr Intensität aufgenommen werden können, als allein ein Paar Augen es ermöglicht.

Im Gegensatz zu den sogenannten Caves, bei denen es einem User dank 3-D-Brille und speziellem Datenhandschuh möglich ist, zweidimensionale Welten interaktiv zu gestalten und dreidimensional zu erleben, reagieren die „Encluded“-Installationen allein auf die Bewegungen des Besuchers. Mit einem auf Infrarotsignale ansprechenden Button, den sich der Betrachter an den Kragen heftet, wird nach dem Durchschreiten bestimmter Sensorzonen das Zusammenspiel von Informationen, Licht, Bild, Raum und Sound ausgelöst. Die Idee: „Den Besucher durch ein Environment zu führen und ihn dabei möglichst wenig mit Technik zu behängen“, erklärt Twosuns-Mitarbeiter Andreas Bohn.

Encluded – abgeleitet vom englischen Wort „clue“, das im Deutschen Spur oder auch Ahnung bedeuten kann – heißt dieses neuartige Multimedia-System, das die Twosuns-Leute in zweijähriger Kleinarbeit entwickelt haben. Der Clou daran ist: es erlaubt dem Betrachter uneingeschränkte Interaktion, und zwar nicht nur im virtuellen Raum des Computers, sondern auch in der realen Architektur. Eine Technik, die nicht nur für die Präsentation musealer Räume interessant ist, sondern auch für Firmendarstellungen, beispielsweise auf Messen oder als Infobörse in Einkaufszentren, wo ein Bäcker auf die Art mitteilen kann, daß seine Croissants ofenfrisch sind. Größere Firmen, selbst Reiseunternehmen, könnten auf diese Art ihre Angebote offerieren: ein Encluded-Raum kann schließlich nicht nur nackte Infos über Reiseziele anzeigen, sondern mit Hilfe von Musik und Bild auch Stimmungen und Atmosphäre vermitteln.

Zwei Aufträge liegen der jungen Firma, die übrigens vom Berliner Senat als erfolgreiches Startup auf die Website genommen wurde, bereits vor: für die Expo 2000 sowie für die Berliner Festspiele. Auf einen flächendeckenden Einsatz des Enclused-Systems, vor allem bei kleineren Firmen, wird man wohl noch eine Weile warten müssen. Denn der Preis bedarf noch einiger Überarbeitung: Mindestens 500.000 Mark kostet die multimediale Ausstaffierung eines Raumes. Kirsten Niemann