Rechter Drahtzieher vor Gericht

■ Wegen Aufforderung zur Gewalt mußte sich gestern Frank Schwerdt, eine der Schlüsselfiguren des rechtsextremen Netzwerks in Berlin, verantworten. Das Urteil ergeht kommende Woche

Berlin (taz) – Der Häftlingsdreß, der ihm nach Verlautbarung des rechtsextremen „Nationalen Infotelefons Preußen“ „viel zu klein ist“, wird Frank Schwerdt, 54, voraussichtlich noch eine Weile einzwängen, ebenso wie die Gitterstäbe seiner „Zelle ohne Licht“ in der Berliner Haftanstalt Tegel. Der Kopf der rechtsextremen Strukturen in der Hauptstadt wie auch in den ostdeutschen Bundesländern stand gestern wegen des Vorwurfs der Aufforderung zur Gewalt und Gewaltverherrlichung vor Gericht. Das mögliche Strafmaß dafür reicht von einer Geldstrafe bis zu einem Jahr Gefängnis.

Seit März dieses Jahres verbüßt Schwerdt eine neunmonatige Haftstrafe wegen Volksverhetzung. In zweiter Instanz wurde er wegen der Herstellung und Verbreitung von sogenannten Schulungsbriefen des „Völkischen Freundeskreises“ verurteilt. In den Briefen wird auf das Programm der NSDAP und „das politische Testament des Führers sowie sein gesamtes politisches Werk“ positiv Bezug genommen.

„Volksverhetzer“ nennt sich nun auch prägnanterweise die Band, deretwegen sich Frank Schwerdt gestern erneut vor Gericht verantworten mußte. Im April dieses Jahres, Schwerdt war längst rechtskräftig verurteilt, war die Berliner Polizei zu einer Hausdurchsuchung bei dem unverbesserlichen Rechtsextremisten angerückt.

Schwerdts Berliner Haus ist einerseits Anlaufstelle und Koordinationspunkt neonazistischer Aktivitäten, zugleich aber auch Sitz des Verlages „Vortrag-Buch- Reise“. Als Geschäftsführer des Verlages hatte Schwerdt im Mai 1997 Vertrieb und Verkauf einer CD der „Volksverhetzer“ unter dem Titel „Unsere Einheit macht uns zur Macht“ übernommen.

Vor Gericht hatten gestern wohl nur die anwesenden Schwerdt-Anhänger mit Glatzen und Springerstiefeln ihr Vergnügen. Zur Beweisführung mußten sich Richterin, Staatsanwalt und sonstige Anwesende den Song „Blutrausch“ anhören. „Blutrausch, keine Macht hält dich mehr auf. Ja, ja, ja, Blutrausch, deine Bestie kommt jetzt raus“, heißt es im Refrain des Liedes. „Du kannst nicht mehr denken, du willst ihn nur noch töten, niemand kann dich lenken.“ In einer weiteren Passage heißt es sinngemäß: Gehst du jeden Freitag in die Kneipe rein, siehst du ihn da stehn, so ein „buntes Schwein“. Während die Staatsanwaltschaft darin ohne Zweifel eine Aufforderung zur Gewalt erkennen konnte, entdeckte Schwerdts Anwalt Hans-Günther Eisenecker darin nur ein „Selbstgespräch in Du-Form“. Schwerdt selbst betonte: „Für mich ist das keine Aufforderung zur Gewalt, sondern ein Text, der zum Nachdenken anregen will.“ Die Gruppe singe Lieder für Leute, denen es schlecht ginge und die moralisch ausgegrenzt würden. Gewalt sehe er im Fernsehen darüber hinaus ohnehin ständig.

Auch die Lieder der Punkband „Tote Hosen“ mußten für Schwerdts Rechtfertigung herhalten. „Mit meinem Laienbegriff“, so Schwerdt, „sehe ich keinen Unterschied zu einigen Liedern der Toten Hosen.“ Doch nicht Schwerdts Laienbegriff war es, auf den der Verteidiger gestern sein Plädoyer auf Freispruch aufbaute, sondern eine Differenz zwischen dem gesungenen Text und dem Text im beigelegten Booklet der CD. Dort nämlich heißt es als Liedtext: „Du willst ihn nur noch hassen“ statt „töten“. Eine Aufforderung zu grausamer Gewalt sei also gar nicht gegeben. Im Grunde gebe Schwerdt mit solchen „emotionalen statt grausamen“ Liedern den Leuten die Möglichkeit, „sich abzureagieren“, er leiste „der Gemeinschaft also einen sozialen Dienst“.

Der Staatsanwalt zeigte sich derlei Argumenten wenig zugänglich. Er zweifelte an der Unkenntnis Schwerdts, den er als „maßgebliche Integrationsfigur in der rechten Szene der Bundesrepublik, mindestens in Berlin und den neuen Bundesländern“, bezeichnet, über den tatsächlich gesungenen Text. Schwerdt verbinde seine eigene rechtsextreme Botschaft mit dem Vertrieb solcher Musik. „Und das ist Demagogie und Propaganda in Reinkultur.“ Die Staatsanwaltschaft plädierte deshalb auf acht Monate Haft ohne Bewährung.

Daß Schwerdt gestern kein Schuldbewußtsein an den Tag legte – nur „angesichts der zu erwartenden rechtlichen Schwierigkeiten würde ich es nicht noch einmal tun“, wandt er sich bei seiner Befragung –, verwundert wenig bei einem Blick auf seine politische Geschichte. Der umtriebige Diplomingenieur gehört bereits seit den sechziger Jahren zum Inventar des Berliner und des bundesdeutschen Rechtsextremismus. Zunächst im Berliner Landesverband der NPD, nach einem Zwischenspiel bei der CDU dann bei den „Republikanern“ in Berlin deren stellvertretender Landesvorsitzender. Als sich die „Republikaner“ mühten, eine gewisse Abgrenzung zu rechtsextremen Parteien zu postulieren, engagierte sich Schwerdt für die rechtsextreme „Deutsche Liga für Volk und Heimat“.

Nach einem weiteren Versuch mit den ebenfalls rechtsextremen Nationalen, einer nur regional aktiven Organisation, setzt er nun auf die NPD als einigende Kraft im rechtsextremen Spektrum.

Im Zentrum seiner Aktivitäten steht jedoch der Aufbau neonazistischer Strukturen jenseits von Parteien. Seit 1992 widmet er sich hauptsächlich der Einbindung jugendlicher Neonazis in Ostdeutschland in die sogenannten Kameradschaften. Maßgeblich ihm ist es gelungen, daß sich so rund um Berlin ein Netzwerk regionaler Neonazigruppen formiert hat. Meist nahm er an Gründungsversammlungen teil und stand den Kameradschaften logistisch an der Seite – mit Kontakten, Propagandamaterial oder Finanzmitteln. Nach Ansicht des Brandenburger Verfassungsschutzes kontrolliert Frank Schwerdt das „informelle Netzwerk“ der Kameradschaften und propagiert dort „seine ideologischen und strategischen Ziele“.

Am kommenden Donnerstag wird das Urteil in diesem Prozeß erwartet. Ocke Bandixen, Barbara Junge