„Preisgelder mußten versteuert werden“

■ Ein Gespräch mit bulgarischen Künstlern über falsch verstandene Folklore, die Vorzüge des Sponsorings und den „Kulturkrieg der Generationen“ gegen erstarrte Institutionen

taz: „Wer nicht malen kann, macht Installationen“, lautet ein Vorwurf, der vor allem von dem Verband der bulgarischen Maler an die junge Kunstszene erhoben wird. Machen die jungen bulgarischen Künstler wirklich nur Blödsinn?

Svilen Stefanov: Natürlich nicht. Aber wir möchten, um mit den Worten von Deleuze zu sprechen, die notwendig gewordenen Veränderungen vorantreiben. Wir protestieren gegen erstarrte Institutionen, gegen einen ästhetischen Geschmack, der sich seit 50 Jahren nicht geändert hat. Und unser Mittel ist der Schock. Auch theoretisch setzen wir uns auf eine neue Art mit Kunst auseinander. Der Verband der Maler, aber auch viele Medien werfen uns vor, daß wir die bulgarischen Traditionen zerstören.

Tatsächlich ist es ein Kulturkrieg zwischen den Generationen. Und da wir in keinem postmodernen Land leben, das von Pluralität geprägt ist, kann nur einer gewinnen: unsere Vorstellungen oder die der anderen.

Ruen Ruenov: Wir wenden uns gegen eine auf verschiedenen Ebenen pervertierte Gesellschaft. Gegen ein gesellschaftliches Klima, das Türken und Zigeuner, aber auch Homosexuelle stigmatisiert, gegen sexuelle Tabus, gegen eine Gesellschaft, in der Machismo und Sexismus zum guten Ton gehören. Die Maler im Verband vertreten noch immer das Schöne, Wahre, Gute. Es sind Handwerker, die jahrzehntelang blutige Antifaschisten malten und heute nackte Frauen in Blumenfeldern. Diese Maler stehen für Konservatismus, für inhaltsleeren Folklorismus und nationalen Chauvinismus...

Die Kuratorin Maria Vassileva befürchtet, daß sich die jungen bulgarischen Künstler allzusehr an westlichen Themen, Genres und Ausdrucksformen orientieren könnten.

Svilen Stefanov: Es ist wahr, daß einige zu sehr nach Stipendien und dergleichen schielen. Doch obwohl wir natürlich alle den Kontakt zur internationalen Szene suchen, versuchen doch viele von uns, spezifisch bulgarische Themen voranzutreiben. Aber gerade das macht es für den Westen auch nicht leichter, uns dann zu verstehen.

Vor einem Jahr hat die Union der demokratischen Kräfte die sozialistische Regierung abgelöst. Haben sich die Bedingungen für Sie geändert?

Dimitrina Sevova: Eine staatliche Unterstützung gibt es auch weiterhin praktisch nicht. Die internationale Triennale für Graphik im Mai in Sofia wurde mit 1.000 Dollar unterstützt. Aber die Preisgelder mußten versteuert werden. Und zum Schluß erhielt das Finanzministerium mehr zurück, als es ausgab.

Wie finanzieren Sie Ihre Ausstellungen?

Dimitrina Sevova: Nun, wir versuchen, Sponsoren zu gewinnen. Doch das ist wegen der ungeklärten Rechtslage fast unmöglich. Firmen, die uns unterstützen wollen, können ihr Engagement nicht von der Steuer absetzen. Im Gegenteil: Für jeden Lew, den sie uns geben, müssen sie eine zusätzliche Steuer zahlen. Das heißt, sie werden doppelt besteuert. Offizielles Kultursponsoring gibt es deshalb in Bulgarien nicht: Manchmal gelingt es aber doch, ein Hintertürchen aufzustoßen und diese Gesetzeslücke zu umgehen.

Ein Beispiel dafür war die Triennale der internationalen Graphik im Mai: Da wollte die Computerfirma Dell das Festival unterstützen und beauftragte es deshalb, für sie zu werben. Mit den Mitteln wurden dann die Preisgelder finanziert. Die ungeklärte Gesetzeslage betrifft auch die Museen. Deswegen überlebt die bulgarische Kultur nur durch die Unterstützung und Hilfe von Stiftungen.

Vor allem Soros unterstützt Sie. Enstehen hier nicht neue Abhängigkeiten?

Svilen Stefanov: Wir befinden uns nicht in der Situation, uns darüber Gedanken zu machen. Sie sind die einzigen, die uns unterstützen. Interview: Andreas Bauer