Ohne Moos viel Soros

In Bulgarien gibt es für Kunst keine staatliche Unterstützung mehr. Statt dessen wird der künstlerische Generationswechsel durch private Stiftungen gefördert  ■ Von Andreas Bauer

Philip Zidarov ist felsenfest davon überzeugt. „Das wird das erste Museum für gegenwärtige bulgarische Kunst“, sagt der 36jährige. Stolz durchblättert er seine Skizzen – Außenansicht, Innenansicht, Draufsicht. Noch in diesem Herbst möchte der Direktor der Städtischen Galerie von Sofia sein Museum umbauen. Endlich soll Licht den Bau durchfluten, endlich eine Klimaanlage die Ausstellungsräume und das Depot mit den 3.000 Gemälden wohl temperieren. Und vor allem möchte er die alte Jungendstilfassade des im Krieg zerbombten Gebäudes wieder aufbauen.

Woher die ein bis zwei Millionen Dollar für den Umbau kommen sollen, das weiß Zidarov nicht. Noch sucht er Sponsoren. Das Kulturministerium hat bereits abgewunken – sein nationaler Etat liegt bei umgerechnet nicht einmal 3,5 Millionen Mark. Ein Budget für Neuankäufe gibt es angesichts der wirtschaftlichen Lage in Bulgarien seit 1989 nicht mehr. Auch auf der Kunst-Biennale in Venedig ist das Balkanland nicht vertreten.

Geld hin, Geld her. Das scheint Philip Zidarov im Augenblick weniger zu beunruhigen. Wie einen Talisman trägt er sein weißes T-Shirt mit gelben Schirmchen und dem Schriftzug: „The Umbrella- Projekt“. Kurz bevor er 1992 in Washington erster nichtsozialistischer Kulturattaché einer bulgarischen Regierung wurde, hatte er Christo geholfen, in Kalifornien das Schirm-Projekt zu realisieren. In seinem Glauben an große Visionen scheint er von seinem Landsmann inspiriert worden zu sein. Hilfe erhält Philip Zidarov nun von der Stiftung des amerikanischen Bankiers und Multimillionärs George Soros, der unter anderem die Publikationen des Museums finanziert. Ob da mehr drin ist? Eine Art Prinzip Hoffnung. Aufbruch in Bulgarien?

„Wir wissen, daß wir vom Staat nichts zu erwarten haben, kein Geld, keine Hilfe, kein Interesse“, sagt die 37jährige Maria Vassileva, Kuratorin am Institut für zeitgenössische Kunst. Das 1995 gegründete Institut organisiert Ausstellungen, etwa die im Mai in München gezeigte „Bulgariaavantgarde“, und versucht, die verschiedenen Strömungen der gegenwärtigen bulgarischen Kunst zu dokumentieren.

Im vergangenen Jahr hat Maria Vassileva die Ausstellung „Diversion von Erato“ kuratiert, die erste Ausstellung, die den feministischen Diskurs in der Kunst und Gesellschaft Bulgariens thematisierte. Im Augenblick arbeitet Maria Vassileva an einem „Museum für gegenwärtige bulgarische Kunst“ im Internet. Die realistischere Variante zu Philip Zidarovs Versuch, die Stadtgalerie umzubauen?

Das Institut für zeitgenössische Kunst finanziert sich durch seine Mitglieder, erhält aber auch projektbezogene Unterstützung. „Die junge bulgarische Kunstszene ist fast vollständig auf die Hilfe von Stiftungen angewiesen“, erklärt Vassileva. Wie in vielen anderen osteuropäischen Ländern ist der in den USA lebende Bankier George Soros einer der Hauptsponsoren der Kunstszene. Aber auch Pro Helvetica und KulturKontakt aus Österreich bezuschussen Ausstellungen, verlegen Kataloge und unterstützen nichtkommerzielle Galerien. So erhielt XXL, eine von Malern geleitete Galerie in Sofia, im vergangenen Jahr etwa 4.000 Mark vom Soros Center for the Arts – immerhin mehr als 20 bulgarische Durchschnittslöhne.

XXL gilt neben „Tred“ in Varna als eine der profiliertesten Galerien in Bulgarien. Auch die Zeitschrift Art in Bulgaria wird von Soros unterstützt. Insgesamt verteilt Soros jährlich mehr als 500.000 Dollar für kulturelle Projekte. Das Geld verteilen die vier Expertengremien für Bildende Kunst, Theater, Musik und Literatur. Gewählt werden die Experten vom Vorstand der Stiftung, dem unter anderem die Schriftstellerin Blaga Dimitrova angehört.

Gegen Stiftung und Künstler macht nun der Verband der bulgarischen Maler Front und beklagt, daß die „seltsamen“ Happenings, Performances und Installationen bulgarische Traditionen zerstören – vor allem die klassische Malerei und die Wandmalerei. Unterstützt wird der Verband von einem großen Teil der Presse. „Ein seltsamer Vorwurf“, meint Kamen Balkanski, Direktor des Soros Center for the Arts in Sofia. „Was ist denn überhaupt bulgarisch?“ fragt der Kunsthistoriker. „Unsere vielgerühmte bulgarische Wiedergeburtsarchitektur etwa ist türkischen Ursprungs“, schüttelt er den Kopf. „Wir wollen den dynamischen, kreativen Menschen in diesem Land helfen“, sagt Balkanski, der selbst Anfang 30 ist und einige Zeit in Deutschland studiert hat. Doch auch Maria Vassileva gibt zu bedenken, daß sich mit Blick auf die ausländischen Stiftungen einige Künstler zu sehr von ihren eigenen Wurzeln entfernten: „Manchen fehlt die Verbindung zu ihren spezifischen Erfahrungen in Bulgarien.“

Tatsächlich haben die Gelder der reichen Stiftungen einen Macht- und Verteilungskampf entfacht. Vor der Wende waren alle Künstler automatisch im Verband organisiert, der Staat garantierte ihr Auskommen, kaufte ihre Werke an – heute, nach dem Wegfall der staatlichen Subventionen und angesichts eines Verlusts der realen Kaufkraft von 70 Prozent in den letzten Jahren, leben viele Künstler am Existenzminimum. Nur wenige können auf hergebrachte Strukturen zurückgreifen und im Ausland ausstellen. Der Verband hat seinen Einfluß verloren. „Viele Künstler haben nicht einmal das Geld für die Farben“, erklärt Marin Marinov, der Ausstellungsmacher der Städtischen Galerie. Da bleibt nur die Hoffung, in einen Topf der Stiftungen zu fallen. Doch der bleibt den meisten traditionellen bulgarischen Künstlern verschlossen.

Für viele junge Künstler ist das Engagement von Soros dagegen ein Glücksfall. Soros füllt ein Vakuum aus, das nach dem Wegfall staatlicher Unterstützung entstanden ist. Er öffnet ein Fenster, in dem sich die sogenannte bulgarische Avantgarde präsentieren kann. Dabei erleichtert gerade das Ende der staatlichen Kulturpolitik die Durchsetzung der neuen, von Georg Soros unterstützten Ideen und ästhetischen Überzeugungen.

In letzter Zeit mehren sich allerdings auch die Stimmen junger Künstler, die die Arbeit der Stiftung eher kritisch beurteilen. In der Sofioter Zeitschrift Kultura hat der auch im Ausland bekannte junge bulgarische Künstler Luchezar Boyadjiev kürzlich der Stiftung antagonistische Strukturen vorgewurfen, die ihn an vergangene Zeiten erinnerten. Boyadjiev bezog sich dabei auf Künstler, die Mitglied des Expertengremiums von Soros sind und somit ihre eigenen Projekte finanzieren. Interessenskonflikte könnten da nicht ausbleiben.