Es lebe der EU-Fleischtopf

Das Europaparlament war gestern in Geldfragen unerwartet großzügig – mit der korrupten EU-Kommission und mit den eigenen spendablen Abgeordneten  ■ Aus Straßburg Alois Berger

Die Abgeordneten des Europaparlaments gaben sich gestern nachsichtig. Zuerst beschloß der Haushaltsausschuß, die wegen einer Korruptionsaffäre in der EU- Kommission gesperrten 320 Millionen Mark für humanitäre Hilfe freizugeben. So milde gestimmt, wollten die Abgeordneten auch mit sich selbst nicht allzu hart sein. Der Mißbrauch mit ihren eigenen Reisekosten wird nur ein bißchen eingeschränkt.

Bei der humanitären Hilfe stand der Ausschuß unter erheblichem Druck. Das Europaparlament hatte die Mittel gesperrt, weil die EU-Kommission für Bosnien und Afrika gedachtes Geld zur Finanzierung von Personal in Brüssel zweckentfremdet hatte. Doch die Blockade traf auch viele Hilfsorganisationen, die im EU-Auftrag Projekte in den Krisenregionen abwickeln. In der letzen Woche hagelte es daher Proteste von NGOs. Der Haushaltsausschuß empfahl deshalb dem Parlament, sich mit den Zugeständnissen der EU- Kommission zufriedenzugeben und mindestens 70 Prozent der Mittel freizugeben.

EU-Kommissionspräsident Jacques Santer hatte versprochen, dem EU-Parlament Einsicht in den gesamten Untersuchungsbericht über die Affäre zu geben. Das war eine der Hauptforderungen des EU-Parlaments. Auf die zweite Forderung, alle relevanten Unterlagen der belgischen Staatsanwaltschaft zu übergeben, ging Santer nicht ein. Denn das würde bedeuten, daß nicht mehr Santer, sondern die Justiz entscheidet, was mit den korrupten Beamten passiert. Das will er nicht. Das EU- Parlament wird nun trotzdem am Donnerstag dem Vorschlag des Haushaltsausschusses zustimmen, um die humanitäre Arbeit der NGOs zu sichern.

Noch weniger Zweifel gibt es aber, daß die Abgeordneten auch ein Reförmchen bei den Reisekosten absegnen werden. Bisher lassen sich die Parlamentarier ihre Heimfahrten pauschal nach Entfernung vergüten. In manchen Fällen ist das dreimal soviel, wie der Flug wirklich kostet. Seit der Europäische Rechnungshof das System als untragbar kritisiert hat, windet sich das EU-Parlament. Doch der Geruch der Korruption scheint sie weniger zu belasten als die Angst um das liebgewordene Zusatzeinkommen. Denn auch im neuen Modell werden nicht einfach die tatsächlichen Reisekosten erstattet. Die Pauschale orientiert sich zwar am realen Flugpreis, wird aber aufgestockt durch Entfernungszuschüsse von bis zu 1.000 Mark. Offizielle Begründung: Ein Abgeordneter von den Kanaren müsse bei der Heimreise eventuell in Madrid übernachten. EU-Abgeordnete sind offenbar die einzigen, die keinen Direktflug erwischen.