Neues Kapitel in der Affäre Günter N.

■ Illegale Arbeiter aus Polen sanierten Niederbremers Mietshaus. Auch neuer Amtssitz in Brüssel wird teuer: 70.000 Mark für Malerarbeiten

Die Affäre um den Staatsrat für Europaangelegenheiten, Günter Niederbremer, weitet sich aus. Das Haus, dessen Fassade der CDU-Politiker illegal von zwei Männern aus Polen sanieren ließ, ist kein Wochenendhaus, wie Niederbremer behauptet hatte, sondern ein Mietshaus, in dem ständig vier Parteien wohnen. Die Sanierung der Fassade war also kein „Freundschaftsdienst“ am privaten Ferienhaus, wie der Staatsrat es formuliert hatte, sondern Instandsetzungsarbeit an einem Renditeobjekt, für das Niederbremer Mieteinnahmen kassiert.

Zwischen 55 und 150 Quadratmeter groß sind die Wohnungen in dem Haus in der Heerstraße 1 in Denstorf (599 Einwohner) bei Peine. Die Miete ist vergleichweise günstig – 425 Mark Kaltmiete kassiert Niederbremer für 100 Quadratmeter. Dafür ist die Ausstattung eher dürftig. Es gibt keine Zentralheizung, sondern nur Öfen und Durchlauferhitzer. „Aber Herr Niederbremer macht ja jetzt die Fassade“, sagt eine Mieterin. Die Polen habe sie auch gesehen – an einem Wochenende. Daß die Männer in dem Haus gewohnt hätten, habe sie nicht bemerkt.

„Das war die reinste Bruchbude“, sagt die ehemalige Mieterin Sonja Kamitter. Acht Jahre habe sie bei Niederbremer gewohnt. Trotz der günstigen Miete von 784 Mark für 150 Quadratmeter sei sie ausgezogen, weil das Haus immer mehr verfallen sei. „Herr Niederbremer hat nie etwas gemacht. Die Fassade war so bröckelig, daß die Steine rausfielen“, erzählt Kamitter. Es habe rein geregnet, die Wände seien feucht gewesen. Als der Sicherungskasten in Flammen aufgegangen sei, habe sie die Umzugskartons gepackt. Die elektrischen Kabel habe Niederbremer selbst verlegt. Daß der Staatsrat am liebsten selbst Hand anlegt, hatte er auf der Fraktionssitzung am Montag abend bestätigt: „Wer mich kennt, weiß, daß ich niemand an die Hütte lasse, das mache ich immer selbst, um mich abzureagieren“, wird er von Parteifreunden zitiert. Außerdem verkauft Niederbremer (Monatssalär: 13.000 Mark) in der Adventszeit Weihnachtsbäume, die er auf seiner Tannenschonung hinter dem Haus fällt. „Am besten war der graue Pullover, der fast nur Löcher hatte. Da haben viele aus Mitleid noch ein Kleidergeld draufgelegt“, sagte Niederbremer nach seiner letzten Verkaufsaktion den Peiner Nachrichten. Zu den Vorwürfen seiner Mieter will er sich nicht äußern. Er sagt nur soviel: „Ich habe nie gesagt, daß das ein Wochenendhaus ist, ich habe gesagt, da bin ich am Wochenende.“

Damit auch die Fassade von Niederbremers Amtssitz, des Bremer Büros in Brüssel, etwas hermacht, soll die landeseigene GmbH „Hibeg“ jetzt ein 275 qm großes Wohnhaus kaufen und es an den Wirtschaftssenator vermieten. Der Kaufvertrag ist geschlossen. Kleines Problem am Rande: Das Haus ist ein Wohnhaus. Die Genehmigung für Gewerbenutzung liegt noch nicht vor. Durch den Kauf würden sich die laufenden Kosten für das Büro ab 1999 um rund 15.000 Mark im Monat erhöhen. Die jährlichen Miet- und Nebenkosten würden von bisher 79.000 auf 227.000 Mark steigen. Die Renovierung und Einrichtung des Gebäudes kostet 258.500 Mark. 70.000 sollen allein für Malerarbeiten ausgegeben werden, 128.500 Mark für Möbel und Geräte, 35.000 Mark für Lampen und Lautsprecher. Die Große Koalition hat das Geld im Haushalts- und Finanzausschuß gegen die Stimmen von AfB und Grünen schon bewilligt.

Kerstin Schneider