■ Bei Ministers zu Haus (2) – die Heime unserer neuen Regierung
: Geschlossene Fenster, offene Türen

Wer sind unsere neuen Minister und Ministerinnen, und wie sieht es bei ihnen zu Hause aus? Fragen, die nur mit einer peniblen Wohnungsinspektion beantwortet werden können: In unserer Serie „Bei Ministers zu Haus“ besuchen wir heute das Domizil der zukünftigen Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Zwei junge Männer basteln an einem Mofa vor dem Gartenzaun, ein anderer besprüht ein Garagentor mit Grafitti: Wer Heidemarie Wieczorek-Zeul in Wiesbaden besuchen will, glaubt sich zunächst vor einem Jugendzentrum. Doch die Adresse stimmt, denn schon kommt uns die zukünftige Entwicklungshilfeministerin strahlend entgegengelaufen. Sie trägt ein beigefarbenes Kostüm und ein buntes Seidentuch. „Das hier passiert alles im Rahmen von ,Jugendarbeitslosigkeit Null‘“, erklärt sie die Szene und deutet auf die Teenager. „Die Jungs dort reparieren mein Mofa, und das Garagentor wollte ich schon lange mal aufmöbeln lassen.“ Sie bittet uns ins Haus: „Es stehen Ihnen alle Türen offen. Die Garderobe ist gleich rechts neben der Tür.“

Schon der erste Einblick in Heidemarie Wieczorek-Zeuls Reich zeigt, daß es hier lässig, wenn nicht gar leger zugeht: Die „Garderobe“ ist ein Zentralmassiv von einem Kleiderhaufen. Mützen und Schals, Mäntel und Pullover liegen in mehreren Schichten aufeinandergestapelt. Es ist nicht leicht, sich an ihnen vorbeizuquetschen. Die Hausherrin ist derweil in die Küche marschiert, wo sie „eine Tasse Kaffee“ servieren will. Wir folgen ihr durch den Flur, vorbei an einer ramponierten Europafahne, die an die Wand gepinnt ist und über die Altpapierstapel hinweg. Versehentlich ziehen wir die Tür zu einer mit allerlei Unrat vollgestopften Rumpelkammer auf: „Mein Arbeitszimmer“, ruft uns Heidemarie Wieczorek-Zeul zu, die wieder in den Flur getreten ist. „Aber kommen Sie doch hierher, hier ist es gemütlicher. In der Küche kann man immer so schön quatschen.“

Die Küche der gebürtigen Frankfurterin muß ursprünglich mit naturbelassenem Kiefernholz ausgebaut worden sein. Die Spüle ist in einen Unterschrank integriert, darüber praktische Hängeschränke mit viel Stauraum. Zusätzlich bieten mehrere Regale die Möglichkeit, Küchenutensilien unterzubringen. Über dem Herd ist ein Gewürzrad in die Wand geschraubt. Die Mitte des Raumes berherrscht ein großer, ausziehbarer Tisch, an dem sicherlich zwölf Personen Platz fänden. Von den diversen Arbeitsflächen ist wenig zu sehen – nahezu jeder Quadratzentimeter ist mit benutztem Geschirr zugestellt. Teller und Töpfe sind mannshoch aufgetürmt, in der Spüle parken mit Schimmel überzogene Tassen, und überall kleben undefinierbare Essenreste. Heidemarie Wieczorek-Zeul tauscht flink einige fettige Pfannen auf dem Tisch gegen eine zerbeulte Thermoskanne und drei henkellose Becher, an deren Rand Spuren von Petersilie haften. „Milch und Zucker kommen gleich“, sagt sie und wehrt mit einer eleganten Handbewegung einen Schwarm Fliegen ab. Als sie den Kühlschrank öffnet, fällt ihr ein matschiges Büschel Staudensellerie entgegen. Kurz darauf breitet sich ein säuerlich-fauliger Geruch aus. Unser Fotograf stürzt zum Fenster. „Nicht!“ ruft Heidemarie Wieczorek-Zeul. „Lassen Sie das bitte zu, sonst kommt der ganze Fluglärm herein!“

So stellen wir also fest, daß uns quasi nicht alle Türen offenstehen, und schlagen das Angebot aus, auch das Schlafzimmer fotografieren zu dürfen. Carola Rönneburg