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: Russenkasernen

Es sieht wie späte Gerechtigkeit aus, daß das Kernland des Militär- und Junkerstaats Preußen heute mit der größten Konzentration von Kasernen und Manöverplätzen geschlagen ist. Sie waren erst von den Nazis und zuletzt von der Roten Armee ausgebaut worden. Heute will kaum einer die „maroden Immobilien“ haben. Zudem schreien die Grünen jedesmal „kontaminiertes Gelände“. Und dann muß erst der Boden gewaschen werden – meist von den Grünen nahestehenden Ökofirmen. Viele grüne Aktivisten sind auch zu Developern von Kasernen konvertiert.

Im Westen Berlins erwarb das Bauunternehmen von Roland Ernst 1994 eine riesige von der Roten Armee umfunktionierte Lungenheilstätte – es scheint jedoch bis heute noch keine gewinnversprechende Idee dafür zu haben. Im Nordwesten umfaßt die noch größere Löwenkaserne das Olympische Dorf von 1936 sowie eine Reichsbahn-Siedlung. Letztere bauten die amerikanischen Baptisten zu ihrer eurasischen Missionszentrale um. Dafür verkauften sie ihre ostwestdeutschen Hauptquartiere bei Hamburg und in Buckow.

Es mutet wie ein gemeiner, aber geheimer Plan an, daß man die verlassenen „Russenkasernen“ – mit viel ABM – fast nur mit den zuspätheimgekehrten Rußlanddeutschen zu „revitalisieren“ vermag. In Berlins Stadtmitte hatte die Rote Armee den Bezirk Karlshorst besetzt, in dem sich das „Museum der bedingungslosen Kapitulation des Faschismus im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion“ befindet. Genauer gesagt: befand, denn das Museum fiel nach dem Zusammenbruch der UdSSR an den Kohlschen Museumsmulti Stölzl, der es gründlich postmodernisierte. Heute arbeitet in diesem 4-plus-2-Essential nur noch ein Russe.

Seit der sowjetisch-jüdischen Emigration nach Berlin leben hier nun aber erneut so viele Veteranen der Roten Armee, daß im Museum am Tag der Kapitulation wieder regelmäßig eine Siegesfeier stattfindet (an der teilzunehmen der Regierende CDU-Bürgermeister sich bislang weigerte).

Das Hauptquartier der Westtruppen war Wünsdorf bei Zossen. Diese Stadt hatte schon fast Potsdam-Ausmaße. Als erstes wurden brandenburgische Finanzbehörden dorthin umgesiedelt: ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wünsdorf wirbt heute damit, die „Wiege des deutschen Panzerbaus“ gewesen zu sein. Außerdem werden die ersten rundum renovierten Kasernen und Baracken als „Waldstadt“ bezeichnet.

Auch hier leben viele Rußlanddeutsche, daneben hat man noch Einkommensschwache bzw. Kinderreiche aus der Alt-Mark in Wünsdorf zusammengezogen. In einem Minikomplex – mit Restaurant und Teestube sowie der Ausstellung „Russisches Kasernenleben“ – befindet sich eine „Bücherstadt“ im Aufbau, an der Berliner Antiquariate beteiligt sind. Leider mit überteuerten Büchern, wenn man diese mit den Angeboten auf Flohmärkten vergleicht, von denen sich inzwischen ebenfalls viele in ehemaligen „Russenkasernen“ angesiedelt haben.

Im „Russenstädtchen“ Wünsdorf ist heute der Befehlsbunker des Oberkommandos des deutschen Heeres zu bewundern. Dennoch kommt neben dem deutschen Panzerfan auch der heimliche Verehrer der Roten Armee noch auf seine Kosten: Überall stehen Wachhäuschen und Funktionsgebäude zwischen Wohnblöcken herum.

Nirgendwo scheinen neue Produktionsstätten zu entstehen, erst recht nicht im schon halb verlassenen Zossen, so daß man sich fragen darf, ob mit den „Investitionen in Russenkasernen“ nicht das Pferd von hinten aufgezäumt wird: Das Neuentwickeln von Immobilien gehört noch zum alten Blut- und-Boden-Denken! Helmut Höge