Film Script: Anschlußfähige Ridleygramme
■ Steven D. Katz analysiert in „Shot by Shot“, wie Film durch Storyboards gestaltet wird
Wer an einer der hiesigen Filmhochschulen nicht angenommen wurde, geht am besten zum Zweitausendeins Verlag. Dort findet er das komplette Curriculum. So jedenfalls erscheint es, stöbert man durch die Bücherregale einer der Filialen. Letzte Neuerscheinung ist nun „Shot by Shot. Die richtige Einstellung. Zur Bildsprache des Films. Das Handbuch von Steven D. Katz“, ein dicker Brocken von nicht weniger als 520 Seiten, nachgerade eine Enzyklopädie der Inszenierungs- und Erzähltechniken. Ein solches Kompendium läßt sich natürlich nicht in siebzig schmalen Zeilen zusammenfassen.
Was sofort an „Shot by Shot“ besticht, ist seine Methode, die Bildsprache des Films zu untersuchen: Steven D. Katz geht anhand gezeichneter und fotografierter Storyboards vor. „Im Gegensatz zum Drehbuch ist das Storyboard ein noch wenig erforschter und selten dokumentierter Aspekt der Filmproduktion.“ Tatsächlich ist es selbst eine wesentliche filmische Technik – schließlich gewährt es Produktionssicherheit. (Paradoxerweise gehört es aber immer zu den ersten Budgetposten, die gekürzt, gestrichen oder wie hier in Deutschland noch nicht einmal vorgesehen werden. – Wobei die rühmliche Ausnahme auch hier „Lola rennt“ ist.)
Erfunden wurde das Storyboard bei Walt Disney. Bereits 1927 verwandte man dort für die Serie „Oswald the Lucky Rabbit“ Anschlußskizzen, in denen die wichtigsten Aktionen und Schnitte festgehalten waren. Der Trickzeichner Will Smith heftete schließlich diese Skizzen an eine Wandtafel – und wurde so zum Erfinder des Storyboards. Mitte der dreißiger Jahre waren in den Hollywood- Studios ganze Abteilungen von bis zu acht Mann mit der zeichnerischen Auflösung des Drehbuchs in Einzelbilder beschäftigt. Obwohl das Studiosystem eine Sache der Vergangenheit ist, sind Storyboards in Hollywood nach wie vor gang und gäbe. Kein geringerer als Steven Spielberg arbeitet strikt nach Storyboard. Gemeinsam mit George Lucas gab er zudem eine Reihe von Bänden mit den Produktionsillustrationen ihrer Filme heraus, etwa zu „Indiana Jones“. Oder Ridley Scott, der ein solch fanatischer Zeichner ist, daß seine Skizzen in Hollywood schon den Namen „Ridleygramme“ haben.
Katz zitiert ihre Storyboards, wobei er sich auch häufig Reproduktionen fotokopierter Originalzeichnungen bedient, da die Originalskizzenbücher kaum systematisch aufbewahrt werden. Schon wegen dieser Geschichte des Storyboards also lohnt sich die Lektüre des Buchs. Nicht zu reden von den Erläuterungen seiner praktischen Funktionen. bw
Steven D. Katz: „Shot by Shot. Die richtige Einstellung“. Zweitausendeins, Frankfurt/Main 1998, 60 DM
Die Rubrik zum Thema Bücher und Film wird in unregelmäßiger Folge fortgesetzt.
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