: Mit Grobi in die Zukunft
■ Eröffnung: Im Viertel versucht ein Zentrum, neue Denkanstöße zu geben für ein Leben jenseits der überkommenen und langweiligen Erwerbsarbeits-Biographien
Ihren Idealismus leben, das wollen sie schon. Aber den Draht zur Gesellschaft, so erklärt Till Mossakowski, wollen sie dabei auch nicht verlieren. Ihre Helden sind die intellektuellen Vordenker von „Konzepten neuer Arbeit“, Frithjof Bergmann und André Gorz. Und Grobi, der aus der Sesamstraße. Der unangepasste mit den Flokatie-Armen. Der Chaosbruder.
Das mit Grobi, das sagen Heidi Remmers, Sabine Böning und Till Mossakowski nicht. Dabei haben sie ihr neues Zentrum nach ihm benannt. Grobi – das steht in der Bauernstraße 2 im Viertel für „GRundversorgungs- KOmmunikations- und BIldungszentrum“. Weil sich das keiner merken kann: „Grobi“ eben. Grobi – wie in der Sesamstraße – vereint verschiedene Ansätze und zieht sein Ding dann durch. Das Ziel, erstmal nicht so wichtig.
Protest. Das Ziel ist den drei ZentrumsmacherInnen bedeutend, aber der Weg ist wichtiger. Mit ihrer theorielastigen Kritik am aktuellem Wirtschafts- und Arbeitssystem wollen sie ganz konkret umgehen. In ihrer Fahrradwerkstatt zum Beispiel. In der Schneiderei oder in der Holzwerkstatt. Im Sozialraum und in der Küche. Da wird gehobelt, gekocht und genäht. Ist das nicht konkret? Und alles ohne Geld. Und nach dem Lustprinzip.
Die Erwerbsarbeitsgesellschaft steckt in der Dauerkrise, argumentieren die drei. Die Globalisierung muß zu oft als Argument für die Verarmung weiter Bevölkerungsschichten und den Verlust von Arbeitsplätzen herhalten. Selbst eine Grundversorgung für alle ist da nicht mehr gesichert, ganz zu schweigen von dem Recht auf Bildung oder dem Bedürfnis, seine Fähigkeiten einbringen zu wollen.
Grobi will dem entgegenwirken und eine menschliche Grundversorgung absichern: mit ökologischen Lebensmitteln. Mit Bildungs-Angeboten. Mit Kommunikation. Und auch die klassische Konsumhaltung, in der mit Geld alles zu haben ist, stellen sie in Frage: Im Zentrum gilt neben der Mark die Währung „Tiden“.
Tiden, das müßte 500 BremerInnen bekannt vorkommen: Soviele Mitglieder hat der TauschWatt–Verein in Bremen, bei dem Dienstleistungen zwischen den TeilnehmerInnen ausgetauscht werden – einmal Decke streichen gegen eine Russisch-Übersetzung. Wenn gerade niemand tauschen will, wird das Geleistete in „Tiden“ auf's Konto gelegt. Der örtliche TauschWatt-Verein ist Teil von Grobi. Und der Bildungsverein. Und die Bremer Commune. Das sind alles bereits länger existierende Bremer Projekte. Jetzt versuchen sie es mit Grobi gemeisam unter einem Dach.
So wird auf einmal möglich, daß das Zentrum regelmäßig offen ist: montags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr mit Mittagstisch. Kindergruppen nutzen vormittags die Räume, während in der Fahrradwerkstatt zwei Menschen Drahtesel winterfest machen. Für die Werkstatt-Nutzung zahlen sie später mit Tiden oder Mark. Abends gibt es Bildungsveranstaltungen. Von Internet-Einführung über die Analyse der Koalitionsvereinbarungen bis hin zu „Handwerksabenden“ wird alles geboten.
Ein System innerhalb des Systems? „Mit Autarkie hat das alles nichts zu tun“, sagt Till Mossakowski. Die Angebote richten sich an das nähere Wohnumfeld. Das hört sich nach dem Projekt „Agenda 21“ an, doch das ist den Grobis „viel zu staatstragend geworden“. Grobi macht Basisarbeit von unten. Grobi hält Distanz, um sich die Fähigkeit zum Querulantentum zu bewahren.
Und wer soll ins Zentrum kommen bei soviel Idealismus? Ein Intellektuellen-Image wollen die Grobis nicht haben. „Hierher kommen Rentner, Jugendliche, Berufstätige oder Arbeitslose – einfach alles“, sagt Sabine Böning. Denn Grobi will sein wie das Viertel: bunt. Unangepaßt. Mit dem Geruch nach Flokatie. Christoph Dowe Programmhinweis: Am kommenden Sonntag steht um 20 Uhr eine Analyse der Koalitionsvereinbarungen von SPD und Grünen auf dem Programm.
Kontakt: % 706616 oder einfach vorbeigehen: Bauernstraße 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen