Steuer-Bescherung nicht für alle

■ Wer ein großes Vermögen besitzt, viel Auto fährt und keine Kinder hat, zahlt drauf bei der Steuerreform. Ebenso wie die Arbeitslosen

Berlin (taz) – Wer sich von der künftigen rot-grünen Bundesregierung große Geldgeschenke erhoffte wie an Weihnachten, dürfte im kommenden Jahr ernüchtert sein. Viele Arbeitnehmer sparen durch die neuen Steuersätze im Jahr 1999 nur fünf bis acht Mark im Monat. Dem stehen höhere Kosten für Benzin und Heizung gegenüber. Andererseits profitieren die Beschäftigten von den geringeren Sozialversicherungsbeiträgen. Solange die Gegenfinanzierung der Steuerreform noch unter Verschluß ist, läßt sich die Frage nach den Gewinnern und Verlierern allerdings nur ansatzweise beantworten.

Wer wenig verdient und brav Steuern zahlt, gehört erst mal zu den Gewinnern. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler sparen Arbeitnehmer mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 45.000 Mark im kommenden Jahr 13 Mark pro Monat. Gutverdiener mit mehr als 65.000 Mark werden dagegen nur um drei Mark monatlich entlastet. Wer Kinder hat, profitiert vom höheren Kindergeld, das sind für das erste und zweite Kind jeweils 30 Mark mehr im Monat.

Doch bis zum Jahr 2.002 steigen diese Entlastungen erheblich. In vier Jahren hat eine vierköpfige Familie mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Mark im Vergleich zu heute rund 260 Mark mehr im Monat zur Verfügung. Das ist die steuerliche Entlastung inklusive höherem Kindergeld. Die Veränderungen beim Ehegattensplitting stehen erst ab dem Jahre 2.002 an und sollen auch nur eheliche Einkommen ab 170.000 Mark berühren. Die Steuerersparnis hört sich gut an, doch ihr stehen die höheren Energiekosten gegenüber. Höhere Benzin- und Heizkosten sollen allerdings durch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge ausgeglichen werden.

Nach einer im Spiegel veröffentlichten Tabelle muß ein Drei-Personen-Haushalt, dessen Mitglieder viel Auto fahren und viel Strom und Heizöl verbrauchen, bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Mark mit Mehrkosten von 70 Mark im Monat rechnen. Dies würde durch die niedrigeren Steuersätze im Laufe der nächsten vier Jahre jedoch mehr als ausgeglichen, sofern die Betroffenen nicht unter dem Wegfall von Steuervergünstigungen leiden.

Noch ist die Streichliste der Vergünstigungen nicht heraus, aber klar ist schon jetzt, daß Vermögende und große Unternehmen eher bluten müssen. Für Privatleute bedeutet dies wahrscheinlich, daß der Sparerfreibetrag halbiert wird. Eheleute müßten dann schon Zinsen versteuern, die höher sind als 6.000 Mark im Jahr. Voraussichtlich sind auch mehr Steuern zu zahlen, wenn Privatleute innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb ein Privathaus verkaufen. Wer hohe Zinseinkünfte hat, viel Auto fährt, keine Kinder hat und sein zu versteuerndes Einkommen durch Abschreibungen mindert, der wird künftig zahlen müssen.

Die Steuerreform trifft allerdings auch eine sozial schwache Gruppe: die Arbeitslosen. Wer Arbeitslosengeld bekommt, zahlt heute keine Steuern, profitiert also auch nicht von Steuersenkungen. Die höheren Benzinpreise und Heizkosten jedoch machen sich auch im Geldbeutel von Arbeitslosen bemerkbar.

Den Löwenanteil der Gegenfinanzierung zur Steuerreform müßten die Unternehmen zahlen, befürchtet der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Nach Berechnungen der US-Investmentbank Merril Lynch würden Unternehmen durch die Steuerreform bis zum Jahr 2.002 um bis zu 55 Milliarden Mark belastet. Doch auch die Streichliste der Steuervergünstigungen für Unternehmen ist noch nicht heraus.

Die Unternehmenssteuersätze sollen zwar schon im Jahre 2.000 auf 35 Prozent gesenkt werden, so der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. Demgegenüber allerdings können die Unternehmen künftig weniger freizügig ihre Steuern gestalten. Rot-Grün möchte wahrscheinlich ein sogenanntes Wertaufholungsgebot einführen. Dies zwänge den Unternehmen eine realistischere Bewertung von Gütern des Anlage- und Umlaufvermögens auf. Bisher konnten die Firmen solche Teilwerte großzügiger abschreiben.

Auch die Möglichkeit, Gewinne durch Verlustrückträge aus anderen Steuerjahren zu drücken, soll zumindest eingeschränkt werden. Nicht nur große Firmen, auch kleine und mittlere Betriebe profitieren jedoch von solchen Gestaltungsmöglichkeiten. Nach den Protesten der mittelständischen Wirtschaft haben SPD-Finanzpolitiker daher angekündigt, die Belastungen des Mittelstands noch mal zu überprüfen. Barbara Dribbusch