: Arsen bedroht Millionen Menschen
Bangladesch steht vor der größten Massenvergiftung der Geschichte: In Tausenden von Ortschaften ist das Trinkwasser aus Brunnen durch natürliche Vorkommen arsenverseucht. Weltbank stellt Hilfsfonds bereit ■ Von Bernhard Pötter
Berlin (taz) – Bangladesch steht vor einem Umwelt- und Gesundheitsproblem von bisher unbekannten Ausmaßen. Das Grundwasser Tausender Dörfer im Südwesten, der Mitte und im Nordosten des Landes ist nach Angaben der Weltbank und lokaler Medien stark mit Arsen belastet. Damit ist das Trinkwasser von mindestens 1,2 Millionen, möglicherweise sogar von 40 Millionen der insgesamt 121 Millionen Bangladescher vergiftet. In einer Eilaktion hat die Weltbank 32,4 Millionen Dollar für die Bekämpfung der „möglicherweise größten Massenvergiftung der Geschichte“ bereitgestellt.
Die hohen Konzentrationen des Giftes im Wasser, die seit 1993 auftreten, sind den Berichten zufolge auf natürliche Vorkommen von Arsen im Boden zurückzuführen. Doch im Vergleich zu anderen Gegenden, in denen natürliches Arsen im Grundwasser vorkomme, wie etwa in Bengal im benachbarten Indien, seien sie „von einem Ausmaß ohnegleichen, das nicht vorherzusehen war“, sagt Guy Alaerts, einer der Projektleiter.
Paradoxerweise geht die Vergiftung des Trinkwassers auf ein Hilfsprogramm des UNO-Kinderhilfswerks Unicef zurück. Zusammen mit der Regierung bohrte die Organisation seit der Unabhängigkeit des Staates von Pakistan 1972 Tausende von Brunnen, um die Wasserversorgung vom oftmals bakterienbelasteten Oberflächenwasser hin zum Grundwasser zu verlagern.
Den Berichten zufolge ist das Grundwasser in mehr als der Hälfte der 64 Regierungsbezirke in Bangladesch belastet. Über 1.000 Fälle chronischer Arsenvergiftung sollen bisher bereits gemeldet worden sein. Und es wird damit gerechnet, daß die Zahl weiter ansteigt – immerhin dauert es zwischen acht und 14 Jahren, bis die Vergiftung sichtbar wird und medizinisch bekämpft werden kann. Die Symptome können von Hautverfärbungen und Warzenbildung bis zu Krebsgeschwüren reichen.
Insgesamt 44,4 Millionen Dollar sieht das Programm der Weltbank vor, um die Vergiftung gemeinsam mit der Regierung Bangladeschs, regierungsunabhängigen Organisationen und der Schweizer Entwicklungsagentur zu bekämpfen. Damit sollen vor allem tiefere Brunnen gebohrt, Teiche mit Filtern angelegt und Technik installiert werden, mit der das Regenwasser als Trinkwasser und zur Bewässerung von Feldern genutzt werden kann. Ein Zentrum für die Arsenbekämpfung (NAMIC) soll die Bevölkerung über die Gefährdung durch das vergiftete Wasser informieren und über mögliche Alternativen beraten.
Neben völliger Unkennntnis des Problems trete in den betroffenen Regionen teilweise auch Panik auf, berichten Mitarbeiter der Weltbank. Weil die Brunnen im Ruf stehen, vergiftetes Wasser zu fördern, trinken die Menschen teilweise aus bakterienverseuchtem Oberflächenwasser – was zu noch gefährlicheren Vergiftungen führe. Außerdem seien die Überschwemmungen in Bangladesch für viele Menschen eine direktere Bedrohung als die schleichende Vergiftung durch das Trinkwasser. Erst letzte Woche hat die Regierung die Steuern erhöht, weil sie keine andere Finanzierungsmöglichkeit sah, um das Land nach der Überschwemmungskatastrophe wieder aufzubauen.
„Das Hauptproblem der Arsenvergiftung ist, daß die Mehrheit der unterprivilegierten Klasse sich der Gefahren für ihre Gesundheit nicht bewußt ist“, schreibt die Zeitung Bangladesh Independent. „Unter der Vergiftung leiden nicht die kurzzeitigen Besucher. Es sind die Einwohner der Gegend, die sich dem tödlichen Risiko gegenüber sehen.“
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