„Frauenhäuser sind nie komfortabel“

■ Frauenhaus in Bremen Nord in Not: Frauenbeauftragte fordert Anpassung an veränderte Gegebenheiten, um zu überleben

Auf den ersten Blick scheint es ein Grund zur Freude zu sein: In Bremen Nord suchen weniger Frauen Zuflucht im Frauenhaus. Aber dem Trägerverein steht wegen verringerter Nachfrage und dadurch verringerten Einnahmen das Wasser mit 30.000 Mark Mietschulden bis zum Hals. Über die Hintergründe des Fiaskos und über die Notlagen geschlagener Frauen heute, 25 Jahre nach der Gründung der ersten autonomen Frauenhäuser, sprach die taz mit der Bremer Frauenbeauftragten Ulrike Hauffe.

taz: War es ein Fehler, das Frauenhaus in Bremen Nord noch 1992 zu gründen?

Hauffe: Wir brauchen dieses Haus. Bremen Nord ist so groß, daß das Frauenhaus normalerweise gefüllt ist. Aber die Konzeption der Frauenhäuser generell, auch des Bremen Norders, muß sich geänderten Gegebenheiten anpassen. Frauen finden schneller eine eigene Wohnung, weil der Wohnungsmarkt entspannter ist. In Bremen Nord wird ja schon bei der Zahl der Betten – 40 in acht Zimmern – deutlich, daß das nur eine Lösung für wenige Tagen sein kann. Im Frauenhaus zu wohnen ist notwendig und wichtig – aber nie komfortabel.

Aber es hat sich in den letzten 25 Jahren, als die Einrichtung von Frauenhäusern noch gefeiert werden mußte, doch viel getan. Ausbildung von jungen Frauen und Berufstätigkeit trotz Familienarbeit sind fester Bestandteil weiblicher Lebensplanung. Das sichert doch Einkommen und materielle Unabhängigkeit.

Ja, wir hatten noch nie eine so hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen ...

... und trotz mehr materieller Unabhängigkeit brauchen Frauen noch Frauenhäuser?

Wir haben überhaupt keinen Anlaß anzunehmen, daß weniger geschlagen wird – aber wir haben Anhaltspunkte dafür, daß Frauen ihre Wünsche bzw. Notwendigkeiten wie Wohnungssuche und Auszug zielgerichteter angehen.

Trotzdem müssen Sie sich vorstellen, daß hinter dem Schicksal einer malträtierten Frau eine längerfristige Entwicklung steht, kein spontaner Akt. Das heißt, eine Frau lebt meist über lange Zeit in einer für sie unmöglichen, gewaltvollen Beziehung. Die Trennung oder das Einschwingen auf ein anderes Gleis plant sie selten langfristig. Für die Entscheidung „jetzt reicht's“ muß es eine Umsetzungsmöglichkeit geben. Die heißt Frauenhaus.

Über die Jahre hat sich nun auch eine differenziertere Betrachtungsweise des Beziehungsdeliktes entwickelt. Es ist kein Tabu mehr, daß auch Opfer an gewalttätiger Eskalation beteiligt sein können. Auch Ihr Amt hat mit angeschoben, daß die Ambivalenz der Täter-Opfer-Strukturen bearbeitet wird. Wird da eigentlich genug getan?

Nein. Wir sind noch ganz in den Anfängen. Die Überlegung, wie können Polizei, Staatsanwaltschaft oder Beratungseinrichtung an häusliche Beziehungsgewalt herankommen, findet ja bundesweit statt. Es entwickeln sich da, grob klassifiziert, zur Zeit aber zwei Richtungen, von denen ich eine klar ablehne: Die des sogenannten „Mediatorenprogramms“. Dieser Ansatz, „nun müssen wir uns doch mal zusammensetzen“, mißachtet die Gewalt-„Karriere“, die in der Regel stattgefunden hat. Sowas ist völlig fern von der Realität und von Abhängigkeiten. Das will ich nicht.

Der andere Weg, den wir im Polizeiversuch West probieren, hat eine klare Struktur: Der Täter ist der Mann. Er muß mit der Tat konfrontiert und sanktioniert werden. Gesellschaftliche Realität ist immer noch, daß Gewalt gegen Frauen eher als Kavaliersdelikt gilt; wir wollen stattdessen die klare gesellschaftliche Botschaft einspeisen: Das was du tust ist falsch. Das muß sich auch im Verhalten von Polizei und Justiz wiederspiegeln. Die Gruppen für die Männer sind keine Therapiegruppen – sondern klare Verhaltenstrainigsprogramme, um in bestimmten gewaltauslösenden Situationen zu lernen, anders zu reagieren.

Bleibt die Frage, wenn ein Frauenhaus in Bremen Nord nötig ist, wäre dann nicht ein Haushaltstitel die Rettung?

Weder ein Haushaltstitel noch ein Pflegesatz sind wirklich sicher. Ein Haushaltstitel kann bei der heutigen Haushaltslage genauso wegradiert werden. Das hat der Frauen-Beratungsladen am Dobben erlebt.

Fragen: Eva Rhode