Multikulti trifft auf Hertha BSC

■ 3.000 Fans von Tennis Borussia fürchten beim morgigen Lokalderby Gewalt von Rechtsextremen unter den 40.000 Hertha-Anhängern. Polizei ist auf mögliche Ausschreitungen vorbereitet

Ruhig verläuft ein Lokalderby im Fußball nie, Auseinandersetzungen zwischen den Fans sind an der Tagesordnung. Doch wenn morgen Hertha BSC und Tennis Borussia im Olympiastadion aufeinandertreffen, prallen zwei feindliche Welten zusammen: Hertha BSC, der Arbeiterclub aus dem Wedding. Tennis Borussia (TeBe), der bürgerliche Charlottenburger Club aus dem Mommsenstadion. Der Berliner Traditionsverein gegen die Multikulti-Truppe. Etwa 40.000 Hertha-Fans gegen vielleicht 3.000 TeBe-Fans.

Ob es dabei zu Ausschreitungen kommt, wagt selbst die Polizei nicht vorauszusagen, vorbereitet sind die Ordnungshüter auf jeden Fall.

TeBe-Fans zumindest befürchten Gewalt – von Rechtsextremen unter den Hertha-Fans. „Daß der Verein extra für uns einen eigenen Fanblock einrichten muß, in den auch nur wir TeBe-Fans dürfen, zeigt doch genug“, sagt Tom Spindler, TeBe-Fan und Chef der Konzertagentur Trinity. „Laß uns mal zur Halbzeit 2:0 führen, dann geht's aber böse ab. Oder wenn wir gewinnen, dann ist der Teufel los. Dabei sind ja nicht alle Hertha- Fans auf den Nazi-Zug aufgesprungen, aber eben doch genug. Und wir sind halt auch multikulti.“ Die TeBe-Fans, so Spindler weiter, wollten das Aufeinandertreffen gar nicht politisieren, „wir wollen nur Fußball, Spaß und Kommunikation. Aber Nazis können wir nicht brauchen.“

In einem Flugblatt mit der Überschrift „Platzverweis für Nazihools“ rufen „antifaschistische Fußballfans“ inzwischen zum Besuch des Pokalspiels auf. Bereits in der vergangenen Saison hätten sich „Hertha-Glatzen“ unter das Publikum im Mommsenstadion gemischt. „Höhepunkt war der Besuch von organisierten NPD-Nazis beim entscheidenden Aufstiegsspiel diesen Sommer, die nach TeBes Sieg mit Rufen ,Wir sind deutsch‘ auf das Spielfeld stürmten“, heißt es in dem Flugblatt: „Überlassen wir das Spielfeld nicht den Nazi-Hools!“

Carsten Grab von der Berliner Fanzeitung sportecho ist dennoch hoffnungsvoll, daß der Abend ein ruhiger Fußballabend bleibt. Aber er meint: „Ausschließen kann man Ärger nicht. TeBe hat auch Öl ins Feuer gegossen, als der Verein sich verweigern wollte, im Olympiastadion zu spielen. Das ist bei Heimrecht ja auch verständlich, aber einige Herthaner sind deshalb ganz schön sauer. Die Emotionen sind hochgekocht.“ Auch Grab sieht einen politischen Hintergrund in der Rivalität. „TeBe wird als links angesehen, der Club, die Fans. Sind ja viele Ausländer im Team. Nicht, daß bei Hertha nur Deutsche spielen würden, aber da übersieht man das.“

Derzeit sieht es auf Hertha- Seite indes ruhig aus. Thomas Jellenski beobachtet im Fanprojekt Hohenschönhausen den gewalttätigen Teil der Fanszene, er konnte noch keine Anzeichen für organisierte Angriffe entdecken. „Wir erwarten da keinen Ärger. Dazu müßten sich die Fans organisieren. Und das wäre uns neu. Es ist nichts geplant gegen die TeBe-Fans, auch wenn es bestimmt nicht freundschaftlich wird.“ Ebenso klingt es unter den Hertha-Fans: „Klar gibt es eine Rivalität“, sagt Andre Görke vom Hertha-Fanclub Amoklauf Kladow, „aber in Berlin passiert praktisch gar nichts mehr. Hier haben wir ja eine gute Polizei, die das verhindert, und außerdem sind die TeBe-Fans ja so wenige.“

Bereits mehr als 40.000 Eintrittskarten sind für das morgige Spiel schon verkauft. Treffen doch nicht nur zwei Fußballwelten aufeinander, sondern zwei Vereine, die in den vergangenen Jahren – beide mit großer Unterstützung zahlungskräftiger Sponsoren – aus dem fußballerischen Nichts wiederaufgetaucht sind. Hertha BSC spielt in der ersten Bundesliga ganz vorne mit, derzeit belegen die Kicker den Uefa-Cup-Platz 5. Und auch TeBe hat sportlich was zu bieten: Als knapper Aufsteiger dieser Saison steuern sie auf den Aufstieg in die erste Liga zu, derzeit sind sie Tabellenführer in der zweiten Fußballbundesliga. Barbara Junge