Rumänien wird zur Hochburg der Antisemiten

■ Ganz ungeniert werden in Zeitungen Juden und andere Minderheiten diffamiert. Ein Bericht belegt: Die Tendenz ist steigend. Auch nach Deutschland pflegen die Rassisten Verbindungen

Berlin (taz) – „Als wir dieser Tage durch das Zentrum der Hauptstadt flanierten, hatten wir den Eindruck, daß das Palace-Kasino seine jüdischen Glücksspieler direkt aus Tel Aviv einfliegen läßt. Eine so große Menge virtueller Seife auf den Straßen von Bukarest konnte unsere Seelen nur mit Freude erfüllen. Schade, daß heute ein so großer Mangel an Stacheldraht und Zyklon-B herrscht.“ Diese Sätze veröffentlichte das Bukarester Hetzblatt, Atac la persoanã (Persönlicher Angriff), in seiner wöchentlichen Rubrik „Zvastika“ (Das Hakenkreuz). Der Verfasser dieses Artikels, Mihai Antonescu, muß sich nun für seine Äußerungen vor Gericht verantworten. In der vergangenen Woche wurde dieses erste derartige Verfahren der rumänischen Nachwendezeit in der Hauptstadt Bukarest auf Betreiben des Justizministers und der Generalstaatsanwaltschaft eröffnet.

Der Herausgeber des Blattes, Dumitru Dragomir – er ist zugleich Präsident der rumänischen Profi- Fußball-Liga – behauptete zuerst, der Artikel sei ohne sein Wissen erschienen und der Verfasser gefeuert worden. Doch Ende September veröffentlichte Atac la persoanã eine von Dragomir unterzeichnete Stellungnahme, in der der inkriminierte Text als ein „Pamphlet“ verharmlost wird. Gleichzeitig wurde die Wiedereinstellung des Journalisten bekanntgegeben.

Über den Hetzartikel hatte sich auch die jüdische Gemeinde beschwert. In einer am 9. September veröffentlichten Erklärung wurde den rumänischen Behörden vorgeworfen, „die Proteste der jüdischen Gemeinde gegen antisemitische Handlungen“ ignoriert zu haben. Ein im Juli vom stellvertretenden Vorsitzenden einer jüdischen Stiftung aus Bukarest verbreiteter Bericht über die Zunahme antisemischer Äußerungen und Angriffe in rumänischen Publikationen und Büchern löste kein Echo aus.

In dem Bericht wird den Behörden Tatenlosigkeit vorgeworfen. Die rumänischen Politiker werden beschuldigt, antisemitische Aktivitäten bestimmter Personen, Gruppierungen und Publikationen zu dulden. Der Verfasser, Teodor Wexler, beschuldigt den Privatisierungsminister, den Druck eines profaschistischen Buches mitfinanziert zu haben. Der Autor des Buches „Eine objektive Geschichte der Legionärsbewegung“ ist Vasile Isac, Abgeordneter der wichtigsten Regierungspartei, der Christdemokratisch-Nationalen Bauernpartei (PNCD). Die „Legion des Erzengels Michael“ war die stärkste rechtsextreme, antisemitische Gruppierung Rumäniens zwischen den Weltkriegen. Nach der Wende entstanden mehrere Gruppen, die sich auf die Legionäre berufen.

Wexler wirft der Bauernpartei ferner vor, in ihrer Bukarester Buchhandlung rechtsextreme Schriften zu vertreiben. Sein Bericht endet mit den Worten: „Verbreiten Sie diesen Appell in den westlichen Demokratien, damit man versteht, was sich in Rumänien abspielt.“

Auch andere Publikationen vergiften das Zusammenleben nationaler Minderheiten in Rumänien. So nannte die Wochenzeitung RomÛnia Mare (Groß-Rumänien), die der Chef der gleichnamigen rechtsextremen Partei, Corneliu Vadim Tudor, herausgibt, den ungarischstämmigen Bürgermeister aus Tirgu Mures einen „schielenden Nazi“, der Reden „in der Sprache der Pferde“ halte. In der vorletzten Ausgabe wurde ein Geschäftsmann als Jude mit einem „weichgekochten und mit dem talmudischen Beschneidungsmesser gemarterten Pimmel“ verunglimpft.

Die antisemitischen Tiraden von Tudor werden auch im Ausland goutiert. Zu seinen Freunden gehört auch Viorel Roman, akademischer Rat und Lehrbeauftragter an der Universität Bremen. In einem im September in RomÛnia Mare veröffentlichten Brief bekräftigt er seine „Solidarität“ mit Tudor und dessen Forderungen. Eine davon lautet: „Isolation krimineller und asozialer Zigeuner.“

In einem anderen Artikel präsentiert Roman seine geopolitischen Vorstellungen. Der Westen müsse das „slawisch rechtgläubige Rußland“ vor der Bedrohung durch die Abmachungen „des Vatikans mit Istanbul und des Zionismus mit den Pantürken“ unterstützen. Seine Warnungen beziehen sich gleichermaßen auf die aufkommende „deutsche und gelbe Gefahr“ für die orthodoxe Welt. Zu den Aktivitäten ihres Mitarbeiters befragt, meinte der Pressesprecher der Universität Bremen Uwe Gundrum lediglich: „Wir mißbilligen dieses Verhalten.“ William Totok