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Krankhaft mörderisch

Das Theater stükke zeigt Sex und Crime. „Popcorn“ ist ein Psycho-Kammerspiel mit tödlichem Ausgang  ■ Von Axel Schock

Den Dramatiker, Schauspieler, Moderator und Drehbuchschreiber Ben Elton kennt man als einen Garanten für hintertriebenen, sehr britischen Humor. 1996 erschien sein Roman „Popcorn“, die Theaterfassung ist nun im Stükke am Südstern zu sehen. Die Dialoge sind schnodderig und doch um eine Pointe nie verlegen, die Handlung um Sex & Crime in Hollywood ist ein heimtückisches Psycho-Kammerspiel.

Der Regisseur Bruce Delamitri ist ein Star. Für seine Filmchen über Sex, Perversion und Gewalt wird er verehrt und verachtet. „Ordinary Americans“, sein neuestes Werk, bietet nicht weniger als 57 Morde und eine „subjektive Möse“. Es wird gevögelt, gekokst und gemordet, was zwar den Konservativen im Lande keineswegs gefällt, wofür es aber trotzdem einen Oscar gibt. Unter der Regie von Ulrich Simontowitsch und Johannes Steinrückner spielt Nicolas Weidtman diesen Delamitri als arrogantes Arschloch. Sein Schlagabtausch mit seinem Produzenten (Tim-Owe Georgi) ist perfides und perfektes Phrasengedresch und unterhaltsamste Satire. Ähnlich treffend gezeichnet sind Delamitris Ehefrau Sarah und Tochter Velvet. Immer an der Grenze zur Hysterie und ungehemmt niederträchtig die eine, ein verzogenes, dem Kaufrausch und der Selbstüberschätzung verfallenes Nymphchen die andere.

In dieses Idyll von ehelicher und beruflicher Verlogenheit platzt ein Serienkillerpaar. Wayne und Scout, gespielt von Gabriel Merz und Michaela Hinnenthal, sind stolz, zu den hundert meistgesuchten Verbrechern der USA zu gehören. Sie knallen nieder, was ihnen nicht in die Optik paßt, sind irgendwie irre, aber auch intelligent, kurz: unberechenbar. Was sich in der Designerwohnung von Bruce Delamitri in der Nacht nach seinem Oscar-Triumph abspielt, ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit tödlichem Ausgang für die Protagonisten und einem Wechselbad zwischen Action und Witz für die Zuschauer. Simontowitsch und Steinbrückner beschränken sich im Stükke dabei meist aufs zügige und pointierte Erzählen, wofür Thomas Gabriel eine Art Arena gebaut hat. Die Grundmauern der Luxusvilla begrenzen das Spielareal. Ein kitschiges Foto einer pompösen Hollywood-Villa leuchtet über die gesamte Länge.

Ben Elton will aber noch mehr. Die Frage, ob die gewalttätigen Bilder im Fernsehen und im Kino zu Gewalttaten anregen, steht den ganzen Abend im Raum. Jetzt soll sie auch noch diskutiert werden. Also holt sich (Gladbeck!) das Killerpaar ein Fernsehteam ins Haus. Vor laufenden Kameras soll Delamitri Abbitte für seine gewaltverherrlichenden Filme leisten und die Schuld für alle Verbrechen auf sich nehmen.

Und sosehr sich Gabriel Merz und Nicolas Weidtman auch ins Zeug legen – diese lange, sozialpädagogische Schlußszene läßt den Sarkasmus, der die Inszenierung mit soviel Verve getragen hat, nachträglich in Gänze verpfuffen. Denn natürlich hat Elton zu der Diskussion um Moral, Verantwortung und Gewalt nichts Neues beizutragen. Aber weder er noch das Stükke-Team hatten genug Mut, sie wegzulassen oder gar in Frage zu stellen.

Bis 13.12., Mi.–So., 20.30 Uhr, Stükke, Hasenheide 54

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