Bei Staatsministers zu Haus (7) - die Heime unserer neuen Regierung
: Champagnerduft am Wannsee

■ Michael Naumann

Leicht war es nicht, einen Termin in Michael Naumanns soeben erstandenem Berliner Domizil zu bekommen. „Seien Sie bitte pünktlich. Herr Naumann haßt es zu warten“, hatte mich einer seiner Assistenten gewarnt. Kein Wunder: In den vergangenen Monaten hatte der Wahl-New-Yorker und künftige Staatsminister für Kultur im Kanzleramt unter gehörigem Termindruck gestanden und war unablässig zwischen seinem Penthouse im „Big Apple“ und bundesdeutschen Beratungszirkeln, Feuilletonredaktionen sowie Talkshows hin- und hergejettet.

„Praktisch war ich immer in der Luft“, sagt er mir denn auch gleich bei der Begrüßung am Parktor, wo er mich mit zwei Gläsern Champagner in der Hand bereits erwartet. Und fügt mit einem erstaunlich angenehmen, unpathetischen Timbre und klarer Semantik hinzu, daß er nun doch sehr froh sei, die Zeit in seinem Berliner Hinterhausübergangsdomizil mit Ikea-Möbeln und hastig selbstgeschmierten Käsebroten hinter sich und endlich wieder ein „richtiges Heim“ zu haben. Und wirklich, es ist ein sehr schönes Heim! Am Wasser mußte es liegen, Stadtnähe war ihm nicht so wichtig: Naumann ist passionierter Segler, und den Wasserweg vom Kleinen Wannsee über diverse Kanäle zum direkt an der Spree gelegenen Kanzleramt hat er bereits genauestens eruiert. Bei Flaute will er einfach auf sein geliebtes Motorrad umsteigen – im chauffeurgesteuerten Dienstwagen wird man ihn wohl nur bei Frost und Dauerregen sehen.

„Meine ganzen Sachen sind natürlich noch in New York, die meisten jedenfalls“, bedauert Naumann, während wir die Freitreppe hinaufsteigen. Tatsächlich, ein bißchen leer ist es schon noch in der geräumigen Villa inmitten eines weitläufigen Gartens („von einem Lenné-Schüler“). Neben dem Anlegesteg steht noch das alte Bootshaus, das Naumann ebenso wie die drei Pavillons und das Pförtnerhäuschen für „kulturelle Zwecke“ zur Verfügung stellen will.

„Am besten – nehmen Sie noch ein Glas – wir fangen im Keller an und arbeiten uns dann systematisch nach oben“, schlägt Naumann vor. „Hier rechts kommt der Getränketrakt hin: Weißweinkeller, Rotweinkeller, Champagnerkeller, jeder extra klimatisiert. Da links werden Schränke für Gläser, Teller, Girlanden, Tischdecken und so stehen, diese Wand wird mit Gefrierkombinationen zugebaut, und in den kleinen Abstellraum kommt der Humidor. Ist schon bestellt.“ Wer diesen Keller gesehen hat, weiß, was die Gäste der Naumannschen Kulturabende oben im Ballsaal, den wir inzwischen betreten haben, erwartet, und daß sie Legende werden werden. Wahrhaftig, hier liegt Champagnerduft in der Luft!

Nichts überläßt der Hausherr dem Zufall, alles wird bis ins Detail geplant. Der Platz für die Stehtische, Büffets, Champagnerausschänke und Plauderecken steht genauestens fest. Sogar an ein kleines Kabinett für diskrete Kulturberatungen am Rande wurde gedacht. Zwei weitere Gesellschaftsräume des Erdgeschosses werden derzeit zur Großküche umgebaut.

Die 14 Zimmer des ersten Stocks sollen ausnahmslos Gästezimmer werden. Jedes wird in einem anderen Stil eingerichtet, „einmal quer durch die Jahrhunderte, rückwärts gerechnet“, erläutert Naumann mit glänzenden Augen. Heißen sollen sie „Bauhausbaude“, „Barockstube“, „Gotischer Salon“ usw. – glücklich, wer hier nächtigen darf! Der schönste Raum, mit Grüßbalkon und Seeblick, wird gerade für Bundeskanzler Schröder und Frau hergerichtet – „nach dessen eigenen Entwürfen“, wie Naumann betont. Eine Extrawurst, die, so hoffen wir beide, das Gesamtensemble nicht zu sehr beeinträchtigen wird!

Naumann selbst residiert im Dachgeschoß. „Das reicht mir völlig“, sagt er bescheiden, und öffnet die Tür zu seinem privaten Wohn- und Arbeitszimmer, dem einzigen Raum im Hause, der bereits eingerichtet ist: ein Schreibtisch, ein Drehohrensessel, ein Schlafsofa. Mehr Möbel gibt es nicht. An der Längswand des gut 50 Quadratmeter großen Raumes hängt ein Stück (8 mal 2 Meter) jener Plastik- Schloßfassade, in die Naumanns Freund Wilhelm von Boddin im Sommer 1993 den Ostberliner Palast der Republik eingewickelt hatte, damit alle sehen können, wie schön es wäre, wenn hier das alte Stadtschloß wieder stünde. „Die hat mir Boddin eigenhändig ausgeschnitten“, schwärmt Naumann, „ist sie nicht wunderbar?“ Und wirklich, die leichte Dachschräge verleiht der Fassadenattrappe einen ganz neuen Schwung.

Dominiert wird der Raum jedoch durch einen gewaltigen, exakt mittig plazierten Gegenstand. „Mein Teppichwebstuhl!“ ruft Naumann stolz. An ihm entspannt er sich. „Sehen Sie, die hab' ich alle schon gemacht“, fährt er fort und zeigt mir Polaroids seiner Teppiche, über 200 Stück, alles Motive aus der Kunst, von Piero della Francesca über Rubens bis Beuys.

Die Führung ist zu Ende. Wir trinken noch ein Glas und unterhalten uns noch ein bißchen. Man spricht die gleiche Sprache. Endlich, Kultur im Kanzleramt! Zum Abschied hebt er mich vor lauter Begeisterung über den kulturhistorischen Augenblick für ein paar Sekunden in die Luft. Hat man je von einem deutschen Politiker vor ihm gehört, der derlei getan hätte? Barbara Häusler