Eine herbe Niederlage, keine endgültige

■ Bayern könnte in Karlsruhe eine Normenkontrollklage anstrengen

Karlsruhe (taz) – Auf den ersten Blick hat die bayerische Staatsregierung gestern eine herbe Niederlage erlitten. Doch ob dies auch auf lange Sicht gilt, ist noch offen. Der Erste Senat hat nämlich nicht geprüft, ob die von ihm für abschließend erklärte Bundesregelung überhaupt verfassungsgemäß ist. Schon in der mündlichen Verhandlung im Juni deutete sich an, daß die Frage strittig sein könnte. Damals fragte der Senatsvorsitzende Hans-Jürgen Papier, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wenn der Bund einem Land verbiete, den „Lebensschutz“ zu intensivieren. So weit war nicht einmal die bayerische Staatsregierung gegangen. Kein Wunder, denn sie hätte sich dann ja mit der damals noch CDU-geführten Bundesregierung anlegen müssen.

Im Gericht selbst ist die Konstellation eine andere. Immerhin stammt der Vorschlag, die Abtreibungseinnahmen von Ärzten zu beschränken, ursprünglich vom Zweiten Senat des Verfassungsgerichts. Die Mehrheit des Ersten Senats hat nun zwar klargestellt, daß nicht jede flinke Idee der Roten Roben dem Gesetzgeber schon als unumstößlicher Befehl erscheinen müsse. Die Absolution hat sie dem Bundesgesetz damit nicht erteilt.

Im Falle einer Normenkontrolle wäre wieder der Zweite Senat am Zuge. Er müßte dann entscheiden, ob ein Bundesgesetz, das Einnahmequoten ausdrücklich ausschließt, verfassungsgemäß ist. Die rechte Minderheit im Ersten Senat verneinte dies gestern ganz offen. Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm wollte sich zum weiteren Vorgehen ihres Landes aber noch nicht äußern. (Az. 1 BvR 2306/96 u. A.) Christian Rath

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