Grüne Fernsehunschuld

■ Der Regierungswechsel gibt den Grünen auch Macht übers ZDF. Doch so schamlos Einfluß nehmen wie Union und SPD mögen sie nicht

In Bonn sind die Grünen neuerdings hochgradig beliebt. Eifrige Lobbyisten und Beamte entdecken auf einmal ihre grüne Gesinnung. Einige, heißt es aus der neuen Regierungs-Fraktion, „lassen jetzt durchblicken, daß sie im Herzen schon immer grün waren“.

Unter den Anrufern dürften auch Journalisten sein. Schließlich ist es eine lange Tradition, daß Medienvertreter den Mächtigen bei Union und SPD ihre Sympathie erklären. Denn wer im öffentlich- rechtlichen Fernsehen etwas werden will, dem helfen gute Kontakte zum Adenauer-Haus oder zur SPD-geführten Düsseldorfer Staatskanzlei oft mehr, als jede journalistische Auszeichnung. Während in die ARD-Sender vor allem Landespolitiker hineinregieren, mischt in Fernseh- und Verwaltungsrat des ZDF auch die Bundespolitik mit. Vor jeder Fernsehratssitzung handeln der „Scharnagl-Freundeskreis“, benannt nach Bayernkurier-Chefredakteur Wilried Scharnagl, und der „Rüter-Freundeskreis“ des Mainzer SPD-Staatssekretärs Klaus Rüter, wichtige Entscheidungen aus. Journalisten, die dieses „duale Mauschelsystem“ (Die Woche) verinnerlicht haben, spekulieren nun darauf, über die Grünen ihre Karriere zu befördern.

Grund zu der Annahme geben kämpferische Ankündigungen grüner Spitzenpolitiker. Den „schwarzen Riesen ZDF“ werde man „ein bißchen kitzeln und kratzen“, sagte Fraktionschef Rezzo Schlauch im Focus. Und Vorstandsprecherin Gunda Röstel erklärte vorsorglich, ihre Partei werde für die Posten der Bundesregierung in den ZDF-Räten „ordentlich was beanspruchen“.

Eigentlich prangerte die Partei immer an, daß genau jene Politiker das Fernsehen unter Kontrolle haben, die das Fernsehen eigentlich kontrollieren soll. Regierungsvertreter und Parlamentarier gehörten nicht in die Aufsichtsgremien von ARD und ZDF, forderte die Bundesversammlung der Grünen noch 1996: „Der Einfluß der Parteien ist zurückzudrängen“.

In der Wirklichkeit sieht das etwas anders aus. Alexander Müller, Fraktionschef im rot-grün regierten Hessen, nahm im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks Platz. Sein Kollege Fritz Kuhn, der die Grünen im Stuttgarter Landtag führt, konnte ebenfalls nicht widerstehen: Er sitzt seit einigen Monaten im Rundfunkrat des Südwestrundfunks.

Ganz raushalten wäre naives Gutmenschentum

Dennoch ist den Grünen gar nicht wohl bei dem Gedanken, nun einfach so beim ZDF-Geschacher mitzumachen. „Die Frage ist, ob wir uns an dem ganzen Personalgekungel und der Gleichschaltung in den Freundeskreisen beteiligen“, sagt Karin Knöbelspies, bei den Bonner Grünen für Medienpolitik zuständig. „Sich allerdings aus allem herauszuhalten und zu sagen ,Hurra, wir sind so unschuldig und die anderen so böse‘ – das wäre naives Gutmenschentum“. Auch die grüne Hamburger Senatorin Krista Sager hält es für „völlig blöde, zu sagen: SPD und CDU sollen da eben alleine bestimmen“. Sager, seit 1996 im ZDF-Fernsehrat, ärgert aus eigener Erfahrung, daß das „öffentlich-rechtliche Fernsehen dem Zugriff der Parteien unterworfen wird“. Das ganze Konstrukt der Gremien sei problematisch. Aber dann müsse man eben das Verfahren ändern – „das heißt: den ZDF- Staatsvertrag“.

Da dies SPD und CDU aber nie mitmachen würden, wäre ein Ausweg ein neuer dritter Freundeskreis. Ein Erfolgsmodell gibt es schon. Im Rundfunkrat des NDR gründeten die Grünen gemeinsam mit Vertretern des Sportbundes, des Landeselternrats und anderen Organisationen die „Regenbogen- Gruppe“. „Aus Frust,“ sagt die grüne NDR-Rätin Sabine Baun, „weil Schwarze und Rote ihre Sachen durchgezockt haben und es keine inhaltlichen Diskussionen gab“. Die „Regenbogen-Gruppe“ versucht nun, über die Lager hinweg zu arbeiten.

Allerdings sind die Strukturen in keinem Gremium so verharzt wie im ZDF-Fernsehrat. Einen dritten Kreis zu installieren, wäre ein „Kraftakt“, sagt Krista Sager. Es müsse erst einmal mehr koordiniert werden. „Bisher fließen die Informationen eher sporadisch“.

Den Radler soll eine Maschine anschieben

Unterdessen stehen beim ZDF die nächsten Stellenbesetzungen bevor, die Telefondrähte glühen schon. Bisher sind zwei von drei innenpolitischen Schlüsselposten mit Konservativen besetzt. Sowohl die Hauptredaktionsleiter Aktuelles und Innenpolitik fahren auf dem Unions-Ticket. Und vom linken Bonner Studioleiter Peter Ellgaard wird in ZDF-Kreisen berichtet, er sei zwar ein begeisterter Radfahrer, aber nicht gerade eine rote Kampfmaschine. Deswegen werde die SPD darauf drängen, auch den derzeit vakanten Vize- Chef des Hauptstadtstudios zu stellen.

So, da sind sich die Grünen bei allen Versuchungen der Macht immerhin sicher, soll Personalpolitik nicht laufen. „Journalistische Freiräume“, fordert Referentin Knöbelspies. Und Krista Sager betont, journalistische Qualität und inhaltliches Profil sollten die Kategorien sein. Zudem müßten mehr Frauen in Positionen. Das ZDF, erklärt Sager, sei ja ein „furchtbarer Männerladen“ Georg Löwisch