Soundtrack
: Problematische Paarbeziehungen

■ Komponisten von Filmmusik sind von ihren Regisseuren abhängig – und umgekehrt. Doch Fairneß und Respekt sucht man in diesem schwierigen Arbeitsverhältnis meist vergeblich

Als Alex North im April 1968 die New Yorker Premiere von „2001 – A Space Odyssey“ besuchte, konnte er zwar einen außergewöhnlichen Science-fiction- Film sehen, doch zu hören gab es nur diverse Klassik von Johann Strauß über György Ligeti bis Richard Strauss. Zu Kubricks eigenwilligem Werk mochte das passen, aber es war wohl mehr als nur ein bißchen peinlich für North: Schließlich hatte der Komponist, der 1960 ja bereits den Score für Kubricks „Spartacus“ geschrieben hatte, auch für „2001“ Filmmusik eingespielt. Daß der Regisseur zwischenzeitlich seine Begeisterung für die als musikalische Stimmungshilfe und vorübergehenden Soundtrack-Ersatz (temp track) eingesetzte Klassik äußerte, hätte dem Komponisten eine Warnung sein sollen. Daß man seinen Soundtrack 25 Jahre später (und zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten) auf Tonträgern veröffentlichte, wäre sicherlich auch kein Trost für Alex North gewesen.

Das ist beispielhaft für das Verhältnis zwischen Regisseuren und Filmmusik-Komponisten. Erstgenannte können auf Musik nicht verzichten, letztere leben von den Bildern, die sie hauptberuflich mit dem richtigen Klang versehen – aber Respekt und Fairneß sucht man in diesem Arbeitsverhältnis meist vergeblich. Zahllose Gruselgeschichten geistern durch die Filmmusik-Gemeinde: Da wird von kurz vor der Filmpremiere ausgewechselten Komponisten, verstümmelten, auch gerne mit Popmusik oder Klassik versetzten Einspielungen berichtet.

Und immer wieder davon, wie sich Musiker den Wünschen ihrer ach so begabten Filmemacher beugen müssen und der Spielraum des Komponisten zugunsten der temp track-Stücke zusammengekürzt wird. Da wird aus der Orientierungshilfe bereits vorhandener Musik anderer Leute schnell die Aufforderung, doch bitte etwas zu komponieren, was „genauso klingt“.

Kein Wunder, daß es da im Kino oder vor dem Plattenteller immer wieder diese eigenartigen Wiedererkennungseffekte gibt. Deshalb ist die Wahl des richtigen Regisseurs für einen Komponisten mindestens so wichtig wie die Wahl des eigentlichen Films: Ein gelungener, erfolgreicher Streifen kann auch den Filmmusiker bekannt und – siehe „Titanic“ – auch sehr reich machen, doch mit dem falschen Regisseur kann die Arbeit zur Tortur und die Musik zusammengestückeltes Handwerk werden.

„Für mich“, wird Danny Elfman in Fred Karlins grandiosem Filmmusikbuch „Listening To Movies“ zitiert, „ist ein Regisseur ein Geheimcode, der geknackt werden muß.“ Wenn die Kommunikation zwischen Filmemacher und Komponist nicht funktioniert, Wünsche und Möglichkeiten nicht ausreichend geklärt werden (können), leiden Zusammenarbeit und Ergebnis. Auch deshalb bilden sich doch immer wieder filmmusikalische Paarbindungen heraus. Danny Elfman beispielsweise, ein klassischer „Quereinsteiger“, der als Kopf und Sänger der 80er-Pop-Band Oingo Boingo arbeitete, bevor er Filmmusik machte, komponiert so seit 1985 und Pee Wee's Big Adventure immer wieder für Tim Burton. Die düstere Cartoonromantik von Burton konnte Elfman, der sich das Filmmusik- Komponieren autodidaktisch angelernt hat, immer wieder hervorragend musikalisch begleiten und konnte dabei – wie weiland Bernard Herrmann bei seiner legendären Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock – immer wieder frische, innovative Ansätze entwickeln.

„Beetlejuice“ ist als fidele, makabre Komödie schon in der Musik erkennbar; „Edward mit den Scherenhänden“ erhielt seinen melancholischen Charakter fast ausschließlich aus der Feder Elfmans. Und daß es bei Burtons „Batman“-Filmen eben nicht um geradlinige Superheldereien geht (sondern um Schizophrenie und gesellschaftliches Außenseitertum), machen neben Burtons Bildern auch Elfmans gothic sounds deutlich, als musikalische Maskenbälle in Kathedrale, Seitenstraße, Irrenhaus. Daß da zwei die gleiche musikalische Sprache sprechen, daß Elfman ausreichenden Frei- und Spielraum von Burton erhält, beweist spätestens „Nightmare Before Christmas“: Das nicht immer treffsichere Puppen-Animations-Musical geriet dank Elfman zur Weillschen „Kindergeschichte für Erwachsene“.

Zweifellos profitieren Filmmusiker von den guten Beziehungen zu „ihren“ Regisseuren, und das nicht nur finanziell (seit Zusammenbruch des großartigen/ furchtbaren Studiosystems in Hollywood mit seinen festangestellten Vertragskomponisten kein geringes Argument). Die Entwicklung von Steven Spielberg vom verspielten Unterhaltungsfilmer aus den Zeiten des „Weißen Hais“ zum ernsthafteren Regisseur von „Der Soldat James Ryan“ hat immer auch John Williams begleitet und dabei auch zu neuen Formen und Musiken gefunden; wenn Spielberg lieblos „Jurassic Park 2“ herunterkurbelt, klingt aber auch aus Williams' Musik die Geringschätzung hervor, Freundschaftsdienste eben. Aber natürlich kann auch die Regisseur-Komponist- Beziehung leiden. Als es zwischen Burton und Elfman Spannungen gab, verpflichtete der Filmemacher kurzfristig den brillanten Howard Shore für die Musik von (ausgerechnet) „Ed Wood“. Und die klang dann von der ersten bis zur letzten Note nach einer Original-Elfman-Komposition. Für wen das eine Genugtuung ist, muß offen bleiben. Thomas Klein