Umstrittene Kaderschmiede für weibliche Eliten

■ Im Koalitionsvertrag verspricht die Bundesregierung die Unterstützung einer Frauenuni. Damit könnte die 100-Tage-Hochschule auf der Expo Hannover zur Dauereinrichtung werden

Berlin (taz) – Eine Hand reicht aus, um die Biologieprofessorinnen in den alten Bundesländern zu zählen. Im Fach Gynäkologie braucht man nicht einmal das Zählen zu beherrschen, um das Geschlechterverhältnis zu erfassen: Ausgerechnet in der Frauenheilkunde gibt es keine einzige Lehrstuhlinhaberin.

Zwei Jahrzehnte Frauenförderung haben daran nichts geändert: Zwar gibt es viele qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen, doch der Weg nach oben bleibt den Männern vorbehalten. Frauen wie Alice Schwarzer, Rita Süssmuth oder Ursula Engelen-Kefer sind sich unter diesen Bedingungen ausnahmsweise einig: „Eine Frauenhochschule muß her.“

Da möchte auch die neue Bundesregierung nicht zurückstehen: Im Koalitionsvertrag hat sie die Unterstützung einer Frauenuniversität angekündigt – „gegebenenfalls“. Für Irmingard Schewe- Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, ein Erfolg: „Zum ersten Mal will eine Bundesregierung einer Frauenuni an den Start verhelfen. Nur der Vorbehalt ist ärgerlich.“

Die Ankündigung im Koalitionsvertrag ist mehr als nur eine imposante Luftblase. Das passende Projekt steht bereits parat. Die „Internationale Frauenuniversität Technik und Kultur: 100 Tage für 100 Jahre“ öffnet im Sommer 2000 während der Expo in Hannover für 100 Tage ihre Tore. Die klassischen Fächer Jura, Philosophie oder Biologie werden die 1.000 Studentinnen aus aller Welt hier vergeblich suchen. Interdisziplinarität ist der große Leitgedanke des Projektes: Die sieben Projektthemen Intelligenz, Information, Körper, Wasser, Stadt, Arbeit und Migration sollen fächerübergreifend wissenschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Diskussionen zusammenführen.

Zentrales Anliegen ist die feministische Orientierung: „Wir wollen einen Raum schaffen, wo Frauen ihre Inhalte und Themen, ihre in der Wissenschaft vernachlässigte Geschichte ins Zentrum des Studiums stellen können“, erklärt Sigrid Metz-Göckel, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Internationale Frauenuniversität.

Die 100 Jahre nach den ersten 100 Tagen stehen noch in den Sternen. Hier könnte die Ankündigung im Koalitionsvertrag neue Optionen eröffnen. „Unsere Chancen steigen“, freut sich Sigrid Metz-Göckel. Mit 5 Millionen Mark wollen die Grünen 1999 den Start in die nächsten 100 Jahre unterstützen. Der Widerstand der SPD dürfte nicht allzu groß sein, ist doch die neue Bildungsministerin Edelgard Bulmahn selbst Gründungsmitglied des Vereins.

Widerstand kommt dafür von ganz anderer Seite. Zunehmend attackieren kritische Feministinnen das Projekt: In einer Resolution des 24. Kongresses von Frauen in Naturwissenschaft und Technik werden die geplanten Studiengebühren von 900 Mark für 100 Tage, die undemokratischen Unistrukturen sowie die individuelle Begabtenauswahl kritisiert. „Prinzipiell ist eine Frauenuniversität natürlich begrüßenswert“, so Barbara Nohr vom Bund demokratischer WissenschaftlerInnen. „Aber hier liegt ein Hochschulmodell zugrunde, das soziale Ungleichheiten verschärft und demokratische Mitbestimmungsrechte außen vor läßt.“ Dies steht laut Nohr auch der feministischen Grundforderung nach Chancengleichheit und dem Abbau von Hierarchien entgegen. Auch bleiben nach Ansicht der Kritikerinnen zentrale Fragen wie die gesellschaftliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel in der inhaltlichen Konzeption unberücksichtigt.

Die Grüne Irmingard Schewe- Gerrick ist sich der Kritikpunkte durchaus bewußt. Die Uni in ihrer jetzigen Form sei nur unter den besonderen Bedingungen des Expoprojektes akzeptabel: „Wenn die Frauenhochschule dauerhaft etabliert und mit öffentlichen Mitteln finanziert werden soll, muß sie selbstverständlich die bildungspolitischen Mindeststandards erfüllen.“ Konkret heißt das für sie: keine Studiengebühren, demokratische Entscheidungsstrukturen und ein Aufnahmeverfahren, das an das anderer Hochschulen angelehnt ist. „Sind diese Standards nicht durchsetzbar, wird es keine grüne Unterstützung geben“, verspricht Schewe-Gerigk.

Die Frage, warum die Grünen trotz dieser Kritik 100 Tage betriebswirtschaftlich organisierte weibliche Elitenrekrutierung auf der Expo begrüßen, bleibt unbeantwortet. Der Rückzug ist offen: „Gegebenenfalls“ heißt das Schlüsselwort im Koalitionsvertrag. Silke van Dyk