Rot-rote Koalition geschmiedet

Die Spitzen von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern wollen koalieren. Noch steht das Votum der Parteitage aus. Kompromiß bei Stasi-Überprüfung  ■ Aus Schwerin Heike Haarhoff

„Der Vertrag steht.“ Mit diesen Worten und einer staatsmännischen Miene gab der künftige Ministerpräsident von Mecklenburg- Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), am späten Dienstag abend den Durchbruch für die bundesweit erste rot-rote Regierung auf Landesebene bekannt.

Nach einer rekordverdächtigen Verhandlungszeit von nur eineinhalb Wochen sind sich SPD und PDS in der Landeshauptstadt Schwerin in Inhalten wie in der Form einig geworden: Sie wollen eine Koalition eingehen.

Acht Jahre nach der Wiedervereinigung wird damit die SED- Nachfolgepartei PDS erstmals Minister in einem Landeskabinett stellen. Drei der acht Sitze auf der Schweriner Regierungsbank fallen der PDS zu. Um welche Ministerämter es sich handelt, blieb auch gestern ein Geheimnis.

Nachdem der bisherige SPD- Sozialminister Hinrich Kuessner Anfang der Woche jedoch zum Landtagspräsidenten gewählt wurde, gilt als wahrscheinlich, daß das Sozialressort der PDS zufällt. Auch die Ministerien für Umwelt und Arbeit sind im Gespräch. Entsprechend gelöst sagte PDS-Landeschef Helmut Holter, 45, sich und dem Land eine „Chance für eine neue linke Politik“ voraus. Ringstorff, 59, lobte die „gute Atmosphäre“ bei den Gesprächen, in die die Verhandelnden „anders herausgekommen“ seien, „als wir hineingegangen sind“.

Bekundungen der Einmütigkeit, die bei den zwei Parteichefs, die beide keine Männer der großen Worte und Gesten sind, einer stürmischen Umarmung gleichkommen. Den letzten Segen für die Zusammenarbeit müssen jeweils noch die Sonderparteitage von SPD und PDS an diesem Samstag in Güstrow bzw. Parchim erteilen. Bei der SPD gilt die Zustimmung als Selbstgänger. PDS-Chef Holter dagegen, der sich nach außen stets zuversichtlich gibt, dürfte sich beide Daumen und Zehen drücken, auf daß seine unberechenbaren Delegierten der Koalition die nötige Zweidrittelmehrheit geben und nicht doch eine Tolerierung fordern. Angesichts der Verhandlungsergebnisse könnte tatsächlich demnächst ein sozialeres Lüftchen als bisher durch das Ostsee-Küstenland wehen. SPD und PDS garantieren allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz. Kinder sollen bis zum zehnten Jahr betreut, das Wahlalter bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre herabgesetzt und mittelfristig die sechsjährige Grundschule eingeführt werden. Am letzten Verhandlungstag waren sich die rot-roten Unterhändler sogar über den strittigsten Punkt, die Finanzen, einig geworden. Danach soll die künftige Nettoneuverschuldung des Landes nun doch aufgestockt werden, und zwar um satte 200 Millionen Mark in den kommenden vier Jahren.

Ursprünglich sollte die jährliche Neuverschuldung von derzeit 1,2 Milliarden auf 500 Millionen Mark im Jahr 2001 sinken. Die zusätzliche Knete soll auf Wunsch der PDS ausschließlich den gebeutelten Kommunen zugute kommen. Das Geld dürfe nicht „verfrühstückt“, sondern müsse „gezielt“ in Schul- und Sportstätten sowie Straßenbau investiert werden, korrigierte Ringstorff seinen bisherigen eisernen Sparkurs.

Entgegenkommen signalisierten die Sozialdemokraten schließlich auch bei der bislang abgeschmetterten Kernforderung der PDS, über einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor 5.000 dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Hatten die Sozialdemokraten ursprünglich nur 1.000 Jobs in diesem Bereich zugestehen wollen, so wurde der Umfang jetzt auf 3.000 Stellen aufgestockt. Bei der strittigen Überprüfung aller Landtagsabgeordneten und öffentlichen Bediensteten auf mögliche Tätigkeit für die Staatssicherheit schlossen SPD und PDS einen Kompromiß. Sie orientieren sich künftig an der Praxis der SPD-regierten Länder Brandenburg und Sachsen- Anhalt, wo Landesbedienstete nur bei begründetem Verdacht überprüft werden und Abgeordnete sich der Überprüfung freiwillig stellen können.