Nachgefragt: Alles beim Alten?
■ Interview mit Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer über die JVA Oslebshausen
taz: Herr Mäurer, in den vergangenen anderthalb Jahren hat der Skandal um die JVA Oslebshausen für Schlagzeilen gesorgt. Was hat sich seitdem geändert?
Justitz-Staatsrat Ulrich Mäurer: Ich glaube, wir haben auf dem Weg zu einem neuen Strafvollzug schon ein gutes Stück zurückgelegt. Der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, ist deutlich verbessert worden. Die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen greift. Die Zahl der Entweichungen ist nahezu unbeachtlich. Bei Vollzugslockerungen gelten strengere Maßstäbe. Die Personal- und Haushaltsprobleme werden wir innerhalb der nächsten sechs Monate lösen können. Blockland und Bremerhaven werden grundlegend saniert.
Ausgelöst wurde der Knast-Skandal nachdem bekannt geworden war, daß Beamte Häftlinge mißhandelt hatten. Jetzt müssen sich wieder zwei Beamte wegen Körperverletzung im Dienst verantworten. Außerdem gab es kürzlich eine Messerstecherei im Gefängnis. Man könnte meinen, im Knast habe sich nichts geändert. Stimmt das?
Nein. Kriminelle Gewalttäter werden nicht allein dadurch friedlicher, daß man sie einsperrt. Es kann deshalb immer wieder zu Gewaltanwendungen unter Gefangenen kommen. Von einem Strafvollzug erwarte ich, daß er ohne jegliche Toleranz gegen die Täter vorgeht. Vollzugsbeamte werden im Alltag von Gefangenen provoziert, angemacht und bedroht. Durch Strafanzeigen versuchen Gefangene Bedienstete zu zermürben. Wir leiten Ermittlungsverfahren ein. Diese Verfahren müssen sein, weil wir nur so die Chance haben, die Vorwürfe gegen die Beamten aufzuklären.
An den Vorwürfen ist also nichts dran?
Ich gehe davon aus, daß in 99 Prozent der Fälle nichts dran ist. Der Vorwurf, den sie ansprechen, stammt aus 1997. Wir müssen abwarten, ob da etwas dran ist. In den beiden großen Verfahren waren zwölf Beamte angeklagt, nur zwei Beamte sind verurteilt worden.
Der Richter hat aber betont, daß er nicht glaube, daß an den Vorwürfen nichts dran sei.
Da ist auch eine ganze Menge schiefgelaufen ist. Aber Freispruch ist Freispruch.
1996 hat eine Beamtin die Zellentüren aufgeschlossen, damit Häftlinge Sexualstraftäter verprügeln konnten. Kürzlich ist ein Sexualstraftäter in den offenen Vollzug verlegt worden. „Zur eigenen Sicherheit, weil er in der geschlossenen Abteilung wegen seiner Straftat bedrängt worden ist“, wie es in einem Vermerk heißt. Werden Sexualtäter jetzt in den offenen Vollzug, damit sie sicher sind?
Das wäre völlig abwegig. Wir verlegen nur in den offenen Vollzug, wenn eine Gefährdung der Öffentlichkeit weitestgehend ausgeschlossen werden kann und die Strafe zum größten Teil vollstreckt ist.
Und wie ist der Vermerk zu erklären?
Den halte ich für abwegig.
Es gibt ihn aber.
Aber er war für die Entscheidung nicht ursächlich.
Fragen: Kerstin Schneider
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