Die Raserei ist zu Ende

■ Nun verläßt Helmut Thoma RTL - ein Programm, das längst nur noch hausbacken anmutet

Komische Koinzidenz von Ereignissen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Da räumen dieser Tage zwei Helmuts ihre Chefsessel, die sich wahrscheinlich nie sonderlich gemocht haben, aber auch jenseits des Vornamens und ihrer Körperfülle einiges gemein haben. Kohl verläßt das Kanzleramt und Thoma die RTL- Chefetage. Mit 15 Jahren hat der Fernsehmann nur unwesentlich weniger Amtsjahre als der Ex- Kanzler auf dem Buckel, und beide gehen nicht gerade freiwillig.

Kohl setzten die Wähler den Stuhl vor die Tür, bei Thoma waren es die Manager des Bertelsmann-Konzerns, dessen Tochterfirma CLT/Ufa RTL gehört. Das kam zunächst weitaus überraschender. Schließlich hatte der pfiffige Österreicher den Sender doch aus dem Nichts zu Europas größtem Werbeträger ausgebaut und ihn bereits 1990 in die schwarzen Zahlen gebracht.

Doch seit ein paar Jahren warf der Kanal, gemessen am Bruttoumsatz, zuwenig Gewinne ab. Da Thoma sich allen Versuchen, aus seinem „Baby“ (Thoma) RTL eine Geldmaschine zu machen, widersetzte und sich obendrein immer wieder öffentlich über die Pay-TV- Pläne des Gütersloher Konzerns lustig machte („Digitaler Rinderwahnsinn“), mußte er gehen. So tritt nun an diesem Wochenende Gerhard Zeiler in der RTL- Zentrale den Job als Babysitter an. Daß der ehemalige ORF-Generalintendant die Profiterwartungen von Bertelsmann erfüllen kann, scheint indes mehr als unwahrscheinlich. Wie bei allen anderen Privatkanälen stagnieren auch bei RTL die Marktanteile oder befinden sich gar im Abwärtstrend. Kam der Sender 1993 noch auf knapp 19 Prozent Marktanteil, sind es derzeit gerade mal rund 15 Prozent, und vermutlich muß RTL die Marktführerschaft in der Jahresbilanz 1998 erstmals wieder an die (auch, aber nicht nur) dank Fußball-WM und Tour de France wiedererstarkte ARD abgeben. Bei den werberelevanten 14- bis 49jährigen liegt RTL mit knapp 18 Prozent zwar noch immer vor Pro 7 (13,6 Prozent), aber die Zeiten, da der Sender noch für programmliche Innovationen stand, scheinen unwiderruflich vorbei. Das aktuelle RTL-Programm verströmt allenfalls das Flair von Hausbackenheit und Mainstream. Keine neuen Formate, keine herausragenden Köpfe – gesendet wird nur noch Bewährtes. Tagsüber die bekannten Quasselbuden, abends Erfolgsserien in der x-ten Staffel, und da wundert es dann kaum noch, daß bei soviel erklärtem Mittelmaß Dumpfbacke Verona Feldbusch zum Aushängeschild des Senders mutiert. Und Gerhard Zeiler machte jüngst im Spiegel mit seiner Vision vom „Mittelklasseauto“ auch gleich deutlich, daß er am aktuellen Senderimage wenig zu ändern gedenkt. Doch ob die Konzernherren erlauben werden, mit der Formel 1 den einzig verbliebenen Rennwagen im Stall zu halten, ist auch offen. 1983, noch vor dem Schumi-Boom, von Thoma zu einem Spottpreis für zehn Jahre gekauft, dürfte die Raserei demnächst teurer werden und damit nicht mehr refinanzierbar sein.

Was wird aus den Helmuts? Kohl wird einfacher Abgeordneter. Daß Thoma sich mit dem Posten im bedeutungslosen RTL- Beirat (Thoma: „Faktisch tut er nix“) zufriedengibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Reinhard Lüke