Festtagslaunig stürzen

■ Buchtip: BuS&Co philosophieren über „Zen oder die Kunst ein Motorrad hinzuwerfen“

Welcher unter unseren LeserInnen könnte umhin, ihn zu lieben, zu bewundern, ihn anzubeten: Burkhard Straßmann alias BuS? Keiner! Ein grausames halbes Jahr lang mußten wir und Sie (oder Sie und wir?) auf seine besinnlichen Geschichten über Ganderkesee, Hodengeschwüre und Politikerrituale (oder Hodenrituale und Politikergeschwüre?) verzichten – aus unerfindlichen Gründen. Manche munkelten von einer harten Schokoladenentzugstherapie, andere von ausgedehnten Feldstudien in Bremens Klohäusern. Die ganze Stadt trug Trauer im Antlitz. Vor sechs Wochen ist er wieder aufgetaucht. Seinen Cappuccino verziert er nun nicht mehr durch Straßmann-Sträußel aus Schokolade, sondern gibt ein paar Spritzer WC-Rein rein (nur soviel zu den Gerüchten).

Unverwechselbar mischt sich seine Stimme wieder sanft und menschlich in den gemeinen öffentlichen Diskurs. Quasi als Willkommensgruß hat der Oldenburger Lappan-Verlag ein Buch herausgegeben, dessen Textteil zu 68,7 Prozent von BuS bestritten wird. Die restigen 100-minus-68,7 Prozent stammen von Menschen, die sich Manfred, Peter oder Fanny rufen. Aber das tut hier nichts zur Sache. Erwähnenswert sind aber noch zwei Karikaturen von „unserem“ Til Mette. Die 93 Prachtseiten ergründen Sinn und Wesen des Motorradfahrens, die größte Herausforderung der Philosophenzunft neben Geburt und Tod.

Liest man einen Text, dann assoziiert man gemeinhin ein blutdurchströmtes Gesicht dazu, dessen oberem Drittel der Text entsprungen sein muß. Beliebte BuS-Formulierungen – etwa „das Erblühen der Heuschrecke“ oder „der Tiefsinn des Bergtals“ – lassen viele BuS-Fans an einen kleinwüchsigen überzeugten Kamillenteetrinker denken. Doch dieser Schein trügt. BuS, das können wir eidesstattlich versichern, sieht aus wie ein Til Schweiger, der die Stimme von Clint Eastwood verschluckt hat und im Bierzelt Bruce-Willis-Sein übt. Kurz: einfach klasse. In seiner Freizeit schnallt er sich gerne an Windschutzscheiben fahrender ICE-Züge, übt in 3.000 Meter Meerestiefe Karate oder: er fährt Motorrad – eine BMW-Enduro. Zwar mußten wir ihm versprechen, den Motorradtyp zu verschweigen. Aber, so fragen wir Sie, ist innerer Glanz nicht hohl und schal ohne das Glanzlicht eines kleinen Makels? Also nochmals: eine BMW-Enduro. Doch das Buch dröhnt lustig nach Duc und Guzzi (soviel für Eingeweihte).

Zwei elementare Geisteshaltungen machen es sympathisch und lehrreich auch für Motorradignoranten: konsequente Frauenfeindlichkeit und ein hymnisches Niederknien vor König Alkohol. Endlich wagt es jemand auszusprechen: Frauen versagen beim Kurvenfahren. Und erinnert man sich im Alter nicht gern an jene wilden Tage, wo das Motorrad auf nächtlichen Kneipentouren im Alkoholnebel abhanden kam. Das Buch jedenfalls erinnert sich anekdotenreich.

Getrieben von sprachlicher Abenteuerlust werden neue Synonyme für das Motorrad entdeckt. Es heißt nicht nur Hobel, Bike und Ratte, sondern auch „Antidepressivum auf Rädern“, „TÜV-geprüfte Selbstmordvorrichtung“, „Omaschreck“, „Grünenschocker“ und „Pickelkompensator“. „Penisersatz“ heißt es aber nicht. Darüberhinaus bringt es Licht in die black box namens Mitmensch. Endlich erfährt man den letzten Gedankenblitz, der allen Unfallgeopferten durchs Hirn schießt kurz vor dessen Zermatschung: Er lautet „Scheiße.“ So trivial und ökonomisch können Leben und Sterben sein. Weibliche Mitfahrer erhalten genaue Auskunft über die Auswirkung ihrer Festhaltetechnik auf den männlichen Hormonhaushalt.

Da es sich bei dem Buch um ein klassisches Geschenkbuch handelt, ist es sehr festtagslaunig geschrieben. Vor allem wendet es sich an jene Fahrer, die aufgrund täglich einströmender Motorradschelten („Ich habe aber gelesen, das soll sehr gefährlich sein.“, „Wie kann man sein Geld für so einen Schwachsinn rauspfeffern?“, „Na, heute schon ein Kind überfahren?“), eine seltene Kunst erlernen konnten: die der Selbstverarschung. bk

„Alle lieben Motorradfahren. Bilder & Worte“, 20,-.. Dank toller Ausstattung ist ekliges Verpacken & Schleifchenbildung hinfällig