■ Rot-Grün in NRW einigt sich auf Garzweiler-Genehmigung
: Point of no return

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, die Einigung der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen zu Garzweiler II hat ihn geliefert: Rheinbraun sitzt in Düsseldorf mit am Verhandlungstisch, wann immer es um Fragen der Wirtschafts-, Struktur- und Energiepolitik geht. Und das Unternehmen hat dabei fast alle Trümpfe in der Hand, die Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie gehört dazu. Mit der Sümpfungsgenehmigung kann es sich nun in aller Ruhe zurücklehnen und selber entscheiden, ob und wann es seine Braunkohlebagger losschickt, um Otzenrath, Holz, Borchemich und acht weiteren niederrheinischen Dörfern den Garaus zu machen.

Das, was von der ohnehin eher symbolischen Widerrufsklausel übrig blieb, ist eine Selbstverständlichkeit, die jedes Investitionsvorhaben begleitet. Und wer wird den politischen Mut haben, Garzweiler II noch zu stoppen, wenn Rheinbraun bereits dreistellige Millionenbeträge in die Erschließung der Braunkohle gesteckt und womöglich wirklich tausende Arbeitsplätze geschaffen hat?

Auch in der Befristungsfrage hat Umweltministerin Höhn allenfalls einen rechnerischen Stich gemacht. Auch wenn sie real nur zwei bis drei Jahre zugelegt hat – politisch wird ganz anders gezählt: Bis zum Jahr 2017 wollte Rheinbraun die Autobahn A 61 erreicht haben – die letzte magische Grenze, die moderatere Garzweiler-Gegner einst als point of no return definiert hatten. Geht alles nach Plan, dürfte diese im Jahr 2023 längst überschritten sein. So ist es kein Wunder, daß NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement den neuen Entwurf Bärbel Höhns als „Durchbruch bei der Umsetzung industriepolitischer Ziele“ bezeichnet.

Nun müßte allerdings ein Narr gewesen sein, wer von einer grünen Umweltministerin, der nach der Entscheidung für die rot-grüne Koalition in Düsseldorf nur noch die Karten „Recht und Gesetz“ zum Ausspielen verblieben waren, mehr erwartet hätte.

Höhns ungewollter Vorstoß vom Mittwoch abend dürfte nun zu den Akten gelegt werden. Auch skeptische Betrachter der rot-grünen Balanceakte hat die Einigung in Sachen Garzweiler gezeigt: Die neue Macht in Bonn hat aus Sozialdemokraten und Grünen vielleicht nicht bessere, aber disziplinierter handelnde Politiker gemacht. Der Bruch der Koalition stand nicht mehr wirklich zur Debatte. Die einen mögen das als Ende der Streitkultur beklagen. Es könnte aber auch die Konzentration auf inhaltliche Auseinandersetzungen bedeuten. Beate Willms