Großbank zu verkaufen

Nach dem Finanzskandal ist Crédit Lyonnais nun gerettet und soll privatisiert werden. Konzerne wie die Deutsche Bank oder Allianz stehen Kasse bei Fuß  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Für die Crédit Lyonnais hat jeder französische Haushalt 5.000 Franc hinblättern müssen. So viel kostete die Sanierung der Staatsbank, die aufgrund von ruinösen Immobiliengeschäften, Vetternwirtschaft und Börsenspekulationen Milliardenverluste gemacht hat. Die angehäuften Gesamtschulden schätzt das Finanzministerium auf rund 30 Milliarden Mark. Jetzt, wo die Bank wieder schwarze Zahlen schreibt, wird sie privatisiert. Ende 1999 will der Staat nur noch zehn Prozent der Aktien kontrollieren, der Rest soll dann in den Händen großer und kleiner AktionärInnen liegen.

Finanzminister Dominique Strauss-Kahn pries seinen Privatisierungsplan in Paris als „einzigen Weg“, die divergierenden Interessen von Staat, Unternehmensführung und Belegschaft unter einen Hut zu bringen. Bis Anfang 1999 will er das Kapital der Bank um acht Milliarden Franc aufstocken und eine „Gruppe von Partneraktionären“ zusammenstellen, deren Beteiligung am Kapital 33 Prozent betragen soll, womit sie ganz knapp unter der Sperrminorität liegen wird. Zehn weitere Prozent der Aktien sollen für die Belegschaft reserviert werden.

Der Privatisierungsplan ist unter der strengen Aufsicht des EU- Wettbewerbskommissars Karel van Miert entstanden. Die EU ließ Hilfen des Staates nur zu, wenn die Bank bis Ende 1999 privatisiert wird. Außerdem muß sie einen großen Teil ihres Besitzes im Ausland abstoßen – im Wert von sage und schreibe 202 Milliarden Mark.

Die Sanierung der 1863 gegründeten und 1945 nationalisierten Crédit Lyonnais hat rund 150 Milliarden Franc gekostet. Ohne mehrere staatliche Sanierungs- und Rettungspläne hätte die Bank schließen müssen. Ruchbar geworden war das Finanzloch erstmals 1994, als milliardenschwere Verluste in der Bilanz auftauchten. Juristische Ermittlungen wegen „gefälschter Bilanzen“ laufen allerdings erst seit dem Herbst dieses Jahres gegen den Ex-Chef der Crédit Lyonnais, Jean-Yves Haberer. Einer der zahlreichen Mitverantwortlichen des tiefen Finanzlochs ist der Turnschuhunternehmer und Vertraute von Ex-Präsident François Mitterrand, Bernard Tapie, der seine Geschäfte über die Staatsbank abwickelte – darunter den Verkauf von adidas, über dessen Rechtmäßigkeit Dutzende von Kleinaktionären heute vor Gericht streiten.

Trotz der Turbulenzen ist Crédit Lyonnais, die in Frankreich größere Marktanteile hat als die Deutsche Bank in Deutschland, ein begehrtes Verkaufsobjekt. Sowohl ihre direkten französischen Konkurrenten Société Générale und BNP als auch die Deutsche Bank haben Interesse für die Bank oder eine ihrer Töchter signalisiert. Auch die Versicherungen Axa (Frankreich) und Allianz (Deutschland) möchten in die Bank investieren. Alle Übernahmeabsichten – gar von ausländischen Investoren – lehnten die sukzessiven Pariser Regierungen jedoch ab. Die rund 30.000 köpfige Belegschaft der Crédit Lyonnais ging immer wieder gegen eine Übernahme oder Fusion auf die Straße.

Nach dem Privatisierungsplan von Strauss-Kahn könnten die konkurrierenden Übernahmeinteressenten sich nun in der 33-Prozent-Gruppe wiederfinden – als Partneraktionäre. Schon bei der Privatisierung der Versichungerung AGF, bei der das Kapital ebenfalls auf eine „Kerngruppe“ verteilt worden war, hatte es jedoch nach einer zweijährigen Übergangszeit eine Übernahme durch die Allianz gegeben.

Die Belegschaft der Crédit Lyonnais kann deswegen nur zunächst aufatmen. Langfristig muß sie massiven Personalabbau befürchten. Die französische Regierung hat das Problem nicht gelöst, sondern abgegeben. Das weitere regelt der „freie Markt“.