Es war so einfach

■ Der österreichische Bankier, der seine eigene Bank ausraubte, stellt sich freiwillig

Wien (taz) – Reumütig und geradezu erleichtert traf Wolfgang Rieger Sonntag kurz vor Mitternacht bei der Wirtschaftspolizei in Wien ein, um sich freiwillig zu stellen. Die Affäre um den 43jährigen Bankier, der am 10. Oktober aus dem Tresor seiner Riegerbank umgerechnet 15 Millionen Mark gestohlen hatte und dann verschwand, ist Kabarett auf österreichisch. Letzten Mittwoch konnte sich Rieger buchstäblich in letzter Minute in einer Villa an der Cote d'Azur der Ergreifung entziehen. Die französischen Beamten fanden eine Brille, einen abgelaufenen Paß und Jutesäcke mit rund fünf Millionen Schilling in verschiedenen Währungen. Held des bisher letzten Akts ist kein smarter Kommissar, sondern Karl Wendl, ein Redakteur des Boulevardmagazins News, den der Flüchtige schon in der Vorwoche zu einem Interview nach Nizza bestellt hatte. Wendl war auf einen neuerlichen Anruf Riegers nach Verona gefahren und hatte den Flüchtling nach Wien zurückgebracht.

Schon im Interview hatte der Gründer der Riegerbank gestanden: „Ich habe Bilanzen gefälscht, Außenstände falsch dargestellt, Bankguthaben praktisch erfunden oder astronomisch nach oben revidiert.“ Er selbst sei überrascht gewesen, wie leicht die Aufsichtsbehörden getäuscht werden könnten. Zuletzt hatte die Bankenaufsicht aber doch Lunte gerochen. Für den 10. Oktober war eine außerordentliche Buchprüfung angesagt. Daß die Flucht mit der Millionenbeute nur eine Kurzschlußhandlung angesichts des unvermeidlichen Auffliegens seiner Machenschaften war, wie Rieger in News versicherte, dem widerspricht die minutiöse Vorbereitung. Schon Ende September hatte er von allen Mitarbeitern die Tresorschlüssel eingesammelt. Am 8. Oktober meldete er sogar seinen BMW beim Verkehrsamt ab. Geraume Zeit vorher hatte er zwischen Cannes und Nizza eine Villa bis 15. November angemietet. Auch sprechen die häufigen Kontakte Riegers nach Lugano dafür, daß zumindest ein Teil des ergaunerten Vermögens der Verschwiegenheit des Schweizer Bankensystems anvertraut wurde.

Die kleine Privatbank des Aufsteigers vom Wolfgangsee war früher eine bessere Wechselstube, die in erster Linie von den Touristen lebte, denen überhöhte Wechseltarife abverlangt wurden. Die Lizenz für Devisenhandel wurde ihr von der Nationalbank verweigert. Zwölf Jahre hatte Rieger gegen die Zentralbank prozessiert und schließlich recht bekommen. Tausende Anleger, die sich vom hohen Zinsgewinn anlocken ließen, werden angesichts der Bankschulden von 140 Millionen Mark voraussichtlich in die Röhre gucken. Auch die private Diskont Bank, die über die Ausgabe einer Riegerbankanleihe in Höhe von 45 Millionen Mark in die Affäre verstrickt ist, kämpft mit der Insolvenz. Bankkunden versuchen seit Tagen vergebens, an ihre Einlagen zu kommen. Ralf Leonhardt